Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
Vom Netzwerk:
herumflippen, sondern bürgerlicher werden soll. Er fängt an, meine Vorderzähne abzufeilen; sie haben ein paar winzige Zacken auf der Bissfläche, weil ich als Kind die Englische Krankheit hatte – ein Mangel an Vitamin D, als die Zähne im Kiefer wuchsen. Ich habe nicht genügend Kalk bekommen, daher haben meine Vorderzähne solche Sägezacken. Sie sind gut einen halben Millimeter lang, und Jacques findet es hässlich. Er nimmt einen Schleifstein, mit dem man Messer schleift, und begradigt die Zähne. Ich schaue mich im Spiegel an. Meine Zähne sehen kürzer aus. Wie bei einer alten Eskimo-Frau, die jahrelang Leder gekaut hat, um es weich zu kneten, damit man Kleider daraus nähen kann. Ich vermisse meine Zacken. Jacques kauft mir auch neue Klamotten und Make-up und zeigt mir, wie man es benutzt – allein komme ich damit nicht zurecht. Ich habe so etwas noch nie benutzt. Nun ja, ein paar meiner Freundinnen ziehen sich so einen schwarzen Strich um die Augen, das ist okay, wenn es sich um echtes indisches Kajal handelte. Aber kein Eyeliner – das ist bürgerlich. Und Lippenstift ist vollkommen ausgeschlossen – ein Ausdruck der Frauenunterdrückung.
    Eigentlich gefalle ich mir am besten, wenn ich so ein bisschen roh aussehe. Oft laufe ich in gestreiften Overalls, Maurerhemd und einem Afghanenpelz herum. Außerdem habe ich eine Schwäche für geblümte Kleider aus den vierziger Jahren – obwohl es mit der John-Lennon-Brille und den Clocks eigentlich ein verwirrender Stilmix ist. Außerdem soll es so aussehen, als hätte ich O-Beine, denn wenn man O-Beine hat, sieht man roh aus. Etwa wie ein Maurer. Das alles sage ich Jacques nicht, aber ich beschwere mich schon, als er mich in Gabardinehosen und Damenblusen stecken will, die er im Kaufhaus Magasin kauft.
    »Ich dachte, wir wollen sparen«, sage ich.
    »Na ja, Schätzchen, in einigen Orten, in die wir fahren wollen, kannst du nicht erscheinen wie ein Freak. Und wir wollen doch überallhin. Jedenfalls soll uns niemand aufhalten können.«
    Wenn Jacques mich nicht anzieht, laufe ich weiterhin herum wie ein roher John-Lennon-Maurer.
    Gleichzeitig lässt Jacques sich den Bart stehen und das Haar wachsen wie ein Hippie, obwohl er noch immer Goldschmuck und Slimline-Hemden trägt. Ich kapier es nicht, sage aber keinen Ton, denn er ist total eitel. Er sagt, wir müssen uns Pässe anfertigen lassen, damit wir reisebereit sind – obwohl wir überhaupt nicht genug Geld haben. Als die Pässe fertig sind, lässt er sich die Haare schneiden und rasiert sich, bis er wieder aussieht wie mein Pornotyp. Ich trage noch immer den langen Pferdeschwanz.
    »Du musst lernen, dich zu schminken«, sagt Jacques daheim in der Wohnung.
    »Aber ich will nicht so aussehen.« Ich stelle mich ans Wohnzimmerfenster und schaue in den Himmel.
    »Es ist wichtig, verschiedenartig aussehen zu können.«
    »Nicht für mich«, sage ich. Jacques geht in die Küche. Er kommt mit einer Schere in der Hand zurück, stellt sich hinter mich und zeigt mir die Schere.
    »Ich schneide dir jetzt deinen Pferdeschwanz ab«, sagt er.
    »Ja, ja, mach nur.« Riiittzzz … »Was machst du denn da!« Ich schreie und greife mir in die Haare – sie sind weg, sie sind kurz. »Neeeiiin, mein schönes langes Haar!«, heule ich.
    »Du musst es mal ausprobieren«, sagt er und bringt mich zu einem Friseur; dort werden meine Haare gefärbt, und ich bekomme eine Standardfrisur, wie alle sie tragen. Unglaublich hässlich. Jacques bezahlt, und wir treten auf die Straße.
    »Du lässt mich aussehen wie so ein ABBA -Mädchen, nur hübscher. Es ist nicht zu ertragen!«
    »Du siehst gut aus, du bist jetzt sehr hübsch«, behauptet er.
    »Ich bin ein Hippie. Und du lässt mich aussehen wie einen bourgeoisen Spießer. Du hast ganz einfach einen schlechten Geschmack!«
    »Das ist nicht bourgeois«, widerspricht Jacques, ein bisschen wütend. Der Mann behauptet, er würde das Bürgerliche hassen, aber in Wahrheit ist er total kleinbürgerlich.
    »Du bist ein bürgerlicher, bigotter Pfaffe!«, erkläre ich ihm auf dem Bürgersteig, und er steckt mir seinen Zeigefinger ins Gesicht und brüllt: »So nennst du mich nie wieder!«
    Dann dreht er sich um und geht.
    »Bigotter Pfaffe!«, schreie ich ihm nach. Aber er hat ja eine Menge anderer Begabungen – und im Bett ist er verdammt gut … Nach einem Ritt in den Laken hat er sich auch wieder beruhigt.
    Wir planen, quer durch Europa nach Afrika zu reisen.
    »Wir müssen unsere Pässe als

Weitere Kostenlose Bücher