Revolution - Erzählungen
Zug schlafe ich ein, und als ich aufwache, sind wir in der Nähe von Fredericia. Jacques hat unsere bürgerlichen Pässe einem Zöllner gezeigt: Ein junges Paar ist in Zürich und Frankfurt gewesen – kein Problem.
Auch in Kopenhagen gibt es keine Probleme. Jacques’ Großhändler hinterlegt eine Anzahlung, verkauft alles im Laufe von achtundvierzig Stunden und liefert das Geld wie besprochen ab. Und Jacques besorgt die Ausrüstung für unsere Reise: Zelt, Schlafsäcke, Rucksäcke, Spirituskocher, Taschenlampen. Wir haben das Geld und wollen in wenigen Wochen aufbrechen.
Allerdings mache ich mir insgeheim Gedanken: Warum hat er mir die Sache mit den verschiedenen Pässen nicht einfach erklärt und stattdessen diesen Zirkus veranstaltet: Haareschneiden, Make-up und all den Scheiß? Manchmal ist er schon ein wenig sonderbar.
Machtbalance
»Lass uns heiraten«, sagt Jacques.
»Ist doch egal. Hauptsache, wir sind zusammen.«
»Für die Reise ist es wichtig, verheiratet zu sein«, sagt er. »In vielen Länder bekommen wir nicht einmal ein gemeinsames Hotelzimmer, wenn wir nicht verheiratet sind.«
Meine Eltern sind in ihrem Ferienhaus in Silkeborg, also leihen wir uns den Wagen des Polen, fahren hin und werden im Rathaus getraut. Tschüss, Sofie Petersen, guten Tag, Sofie Rouvre – das bedeutet Sommerregen auf Französisch. Es gibt ein großes Familienessen im Garten. Alle reden und trinken und fühlen sich wohl. Jacques erklärt meinem Vater seine Lebensphilosophie, und irgendwann merke ich, dass das Gesicht meines Vater immer verschlossener wird, bis es aus ihm herausbricht: »Aber, du bist ja vollkommen asozial, Mann!«
Und ich denke: Ah ja? Vielleicht stimmt es sogar. Aber wir wollen ja auf Reisen gehen. Das ist unser Plan. Am späteren Abend ist Jacques total betrunken und fängt an, über meine Schwestern herzuziehen: »Es ist doch unglaublich, dass man so kleinbürgerlich sein kann und trotzdem einen so großen Arsch hat – das passt doch überhaupt nicht zusammen.« Ich bin stocksauer, denn so hat er nicht über meine Familie zu reden.
»Das höre ich mir nicht länger an«, sage ich und stehe auf. »Aus der Hochzeitsnacht wird nichts, du schläfst im Wagen!« Und schließe die Schlafzimmertür ab. Sie sind nicht einmal sonderlich groß, die Hinterteile meiner Schwestern.
Zurück in Kopenhagen haben wir alle Hände voll zu tun, um bis zur Abreise alles zu regeln – immerhin wollen wir mehrere Jahre unterwegs sein, vielleicht sogar für immer. Eines Abends, wir sind bekifft, holt Jacques ein paar Kabel heraus und bindet mich ans Bett. Er packt mich, leckt mich so lange, bis er ihm steht, greift nach einem der Kabel und fängt an, mich auszupeitschen. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. Dann setzt er sich mit seinem nackten Arsch auf mein Gesicht, verprügelt mich mit seinem großen Schwanz und fickt mich … ohne dass ich wirklich begreife, was hier vor sich geht. Als wollte er mich bestrafen … weil ich mit so vielen Männern vor ihm im Bett war. Männer dürfen das – Mädchen nicht. Das ist so ’ne Art Doppelmoral bei ihm, auf der einen Seite noch immer der alte Moralbegriff, auf der anderen Seite will er den totalen freien Sex. Als er fertig ist, bindet er mich los und will schlafen. Offenbar geht es ihm richtig gut, zumindest kann er sich hinlegen und schlafen. Ich schluchze leise vor mich hin, weil ich nicht will, dass er aufwacht – ich fühle mich absolut gedemütigt. Und er schläft einfach. Ich habe das Gefühl, nicht weiterleben zu können. Ich gehe in die Küche, in der ein paar Schlaftabletten stehen – ich schlucke sämtliche Tabletten, die im Glas sind, und lege mich neben ihn ins Bett. Jetzt kann er morgen aufwachen. Und dann bin ich tot – Schwein !
Am nächsten Vormittag erwache ich, vollkommen bedröhnt von den Tabletten. Ich bin kotzwütend, dass ich von allein aufwache; ich wollte, dass Jacques mich tot findet und mich wiederbelebt, dass es ihm unglaublich leidtut und er es bereut. Aber Jacques ist nicht einmal in der Wohnung.
»Verflucht!«, schreie ich laut. Ich bin gleichzeitig sauer, bei vollem Bewusstsein und komplett zugedröhnt. »Wrraauwwr – wo zum Henker bist du!«, schreie ich und taumele aus dem Bett, ziehe mich an und gehe in die Stadt. Ich torkele durch die Gegend wie ein kaputter Säufer, ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Aber ich habe eine Idee, wo er sein könnte … bei seinem Freund, diesem polnischen Juden. Diesem schleimigen Schwein.
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