Revolution - Erzählungen
verloren melden«, sagt Jacques.
»Wieso?«
»Es ist wichtig, mehrere Pässe zu haben, wenn man in Afrika unterwegs ist. Einige Länder werden uns nicht einreisen lassen, wenn sie in den Pässen Stempel aus dem Land ihrer Feinde sehen.«
Das sehe ich ein und lasse mir noch einen Pass anfertigen – wir wollen ja ungehindert reisen.
Jacques meint, ich soll die Lehre im Grönlandministerium schmeißen: »Du musst raus, anständiges Geld verdienen, damit wir schneller loskommen. Diese Ausbildung nützt dir sowieso nichts, wenn wir unterwegs sind.«
»Ja«, antworte ich. Ich bin ohnehin bereits zwei Mal durch die Stenografie-Prüfung gefallen und werde nie bestehen. Ein paar Monate vor dem Ende der Lehrzeit kündige ich meine Lehrstelle und melde mich bei der Zeitarbeitsfirma ManPower, die mich zu verschiedenen großen Firmen schickt: Hellesens, B&W, ØK – meist ins Schreibbüro oder die Telefonzentrale. Mein Vater ist enttäuscht, aber daran lässt sich nichts ändern.
Wir haben beide mehrere Jobs, leben von Luft und Liebe und sparen eine Menge Geld; tagsüber bin ich Sekretärin, abends putze ich. Anderthalb Jahre – wirklich nur schuften, schuften, schuften. Und das Billigste essen, außerdem wohnen wir enorm günstig, und neue Sachen gibt es nicht. Wir geben schlichtweg kein Geld aus und hören völlig auf damit, ins Kino oder Essen zu gehen, obwohl ich das eigentlich gewohnt bin.
Hasch-Schmuggler
Dennoch hatten wir nach anderthalb Jahren mit zwei Jobs erst fünfundzwanzigtausend Kronen gespart, und Jacques fand es einfach nicht ausreichend.
»Wir machen Ferien in Marokko und besorgen uns etwas Hasch«, sagt er. Er kennt einen dänischen Großhändler, dessen Verbindungen okay sind und der für uns eine Lieferung in zwei Tagen absetzen kann. Ich packe.
»Nimm das hier mit.« Jacques gibt mir die Gabardinehose, die figurbetonte Bluse und die Schuhe mit Absätzen – die Sachen, die er mir gekauft hat. Und die Schminke.
»Soll ich damit in Marokko herumlaufen?«
»Nein, du sollst es bloß mitnehmen«, sagt er, geht in der Wohnung auf und ab und denkt nach, bis ihm der Kopf raucht.
Wir fliegen billig nach Tanger und verlassen die Reisegruppe, ohne ein Wort zu sagen. Mieten einen hellblauen Renault und fahren nach Süden, angezogen wie die Hippies – Jacques hat sich seinen Bart wieder stehen lassen und schwitzt in einem merkwürdigen Wollponcho. Die Slimline-Hemden und mein kleinbürgerliches Zeug liegen im Koffer. Jacques hält in den Städten und redet mit den Leuten. Auf dem Land findet er eine Hütte, die wir mieten können, in der Nähe der Stadt Ksar el Kebir in den Bergen. Es ist total einsam, und Jacques zieht jeden Morgen los, um den richtigen Kontakt zu finden. Ich rauche Zigaretten, bis Jacques mit wirklich gutem Haschisch zurückkommt. Er hat den richtigen Mann gefunden, wird aber immer nervöser. Der Handel rückt näher. Wir fahren in unserem hellblauen Renault in die Stadt und kaufen zwei große Koffer, die Jacques zu Hause auseinanderbaut. Und ständig ist er am Rechnen. Er wird gierig.
»Nein, das reicht noch nicht. Das reicht überhaupt nicht«, murmelt er und verlässt die Hütte.
»Wo willst du hin«, rufe ich ihm nach, aber er ist bereits gefahren. Am Abend schneidet und färbt er mir die Haare, bis ich dem Foto meines kleinbürgerlichen Passes ähnlich sehe.
»Du behältst deine Hippieklamotten an und bindest dir ein Tuch um die Haare, damit niemand deine neue Frisur sieht.«
In zwei Tagen wollen wir mit einem Flugzeug aus Casablanca abreisen. Am nächsten Morgen ist Jacques früh auf den Beinen.
»Was ist los?«
»Ich besorge uns ein anderes Auto«, antwortet er.
»Wieso?«
»Wenn wir heute Nachmittag aufbrechen … das ist der gefährlichste Moment.«
»Aber wieso brauchen wir ein anderes Auto?«
Jacques bleibt in der Tür stehen, dreht sich um und erklärt langsam und betont ruhig, als wäre ich ein schwerhöriges Kind: Es besteht das Risiko, dass der Verkäufer mit der Polizei zusammenarbeitet. Er bekommt sein Geld, und hinterher werden wir mit dem ganzen Hasch verhaftet; das Haschisch wird konfisziert und kann noch einmal verkauft werden. Und wir werden in ein marokkanisches Gefängnis gesteckt, was ungefähr der Todesstrafe gleichkommt. Deshalb hat Jacques den Motor des Wagens manipuliert, so dass er nicht mehr ordentlich fährt. Und die Autovermietung in der Stadt soll ihm einen exakt identischen Wagen besorgen – in der gleichen Farbe.
»Ich habe denen gesagt,
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