Revolution - Erzählungen
Autos fahren mit Spikes, obwohl der Schnee geschmolzen ist. Ich versetze dem Streusand auf dem Bürgersteig einen Tritt – sinnlos nach dem Tauwetter. Trinke eine Tasse Kaffee. Höre den Nachbarn zu, die sich streiten. Dann fangen sie an zu lachen, danach paaren sie sich. Jesus.
Das Tor zum Hafen. Es gibt dort einen kleinen Holzschuppen mit Licht, Heizung und Kaffee, ein Mädchen sitzt darin. Laina. Das Mädchen interessiert mich. Ja, sie sieht grau aus – nachdenklich, roh, glattes Haar von unbestimmbarer Farbe rahmt ihre blasse Stirn ein. Finnisch, dieses leicht Mongoloide der Augen und dieser nordische Frost. Sie ist vielleicht fünf Jahre älter als ich. Und wenn sie lächelt – giftig. Ich gewöhne mir an, bei ihr vorbeizufahren und zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Trinke eine Tasse Kaffee und versuche, sie zum Lachen zu bringen. Ich erzähle von meiner Kindheit in Tansania, das ich vor vier Jahren verlassen habe. Ich erzähle von den Schweinen.
»In einem Dorf in der Nähe von uns liefen die Schweine frei herum. Dunkle Schweine, sonst hätten sie sich bei der Sonne einen Sonnenbrand geholt. Eines Tages fährt mein Vater durch das Dorf und überfährt ein Schwein. Es ist auf der Stelle tot. Er hält – das darf man niemals machen, denn dann wird es teuer. Aber er ist weiß und glaubt, die Menschen wären freundlich und gut. Er darf einen großen Betrag bezahlen, freut sich aber über das Schwein, das wir danach verspeisen. Dann hören wir, dass so etwas einer Reihe von Weißen in diesem Dorf passiert ist. Wie sich herausstellt, passen die Jungs im Dorf auf, wann ein Auto kommt. Ist es ein weißer Fahrer, fangen die Jungs jeder ein Schwein. Sie legen sich zwischen den Büschen flach auf den Bauch und halten das Schwein an den Hinterbeinen fest. Wenn der Wagen des weißen Mannes nahe genug ist, lassen die Jungs los, und das Schwein quiekt und rennt über die Straße. Manchmal wird es angefahren. Ein gutes Geschäft.«
Ich erzähle von der Führerscheinprüfung meiner Mutter in Morogoro, als wäre es meine eigene Prüfung gewesen.
»Man musste sein eigenes Auto mitbringen. Der Sachverständige dirigiert mich zu einem Kaufmann, bei dem wir einen großen Sack Reis kaufen. Dann fahren wir zum Haus des Mannes, schleppen den Sack hinein und zurück zum Polizeirevier. Und dann sagt er zu mir, ich hätte bestanden.«
Ich erzähle von der Korruption.
»Der Schneider meines Vaters in Msumbe hat eine Liste mit den Preisen aller Staatsangestellten in Tansania, von den kleinen Büroangestellten über Lehrer, Bürgermeister und Beamte bis hin zu den Ministern und sogar dem Präsidenten. Und hinter jedem Namen steht ein Betrag, mit Ausnahme des Präsidenten.«
»Er lässt sich trotz allem nicht kaufen«, meint Laina.
»Doch, nur kennt der Schneider seinen Preis nicht«, erwidere ich und sehe in Lainas graue Augen, eine sturmgepeitschte Tundra. Ich erzähle alles Mögliche, um ihr Lächeln zu sehen. Wenn ich weiterfahre, muss ich am Hafen anhalten, den Motor abstellen und die Scheinwerfer ausschalten, um es mir selbst zu besorgen.
Am nächsten Tag bin ich wieder da.
»Irgendwelche Probleme?«, erkundige ich mich.
»Ja, es gibt tatsächlich jemanden, der mich belästigt hat. Ich glaube, er war betrunken. Der Chef der Fleischfabrik.«
»Wie hat er dich belästigt?«
»Na ja, er ist ein paar Mal vorbeigekommen und hat versucht, mich anzumachen.«
»Okay, ich bleibe.«
»Und was ist mit deinem Dienstplan? Ich kann dich doch einfach rufen, wenn irgendwas passiert.«
»Ich trinke nur eine Tasse Kaffee«, antworte ich und biete ihr eine Zigarette an. Ein Mercedes fährt aufs Gelände.
»Das ist er«, sagt sie. Wir stehen auf und treten an die Scheibe, an der ein Pult steht, mit dem sich das Tor steuern lässt. Der Mann im Auto kann mich durch die Scheibe sehen. Laina öffnet das Tor, er hebt die Hand und fährt.
»Na, jetzt ist ihm wohl nichts eingefallen«, sagt sie. Wir hören ein metallisches Geräusch.
»Was war das?«
»Hat er etwas angefahren?«, fragt sie. Wir gehen hinaus. Mein Auto steht direkt vor der Tür.
»Er hat ihn touchiert!«
»Besoffener Idiot!«, schimpft sie.
»Mist. Ich muss das melden.«
»Klar, zeig ihn an«, sagt Laina. Der Schaden ist nicht schlimm. Aber wenn ich es nicht melde, bin ich Schuld. »Ich habe seinen Namen und sein Kennzeichen«, fügt sie hinzu. Wir gehen wieder ins Warme, rauchen eine Zigarette. Ich stehe auf. Gehe zur Tür. Fasse an die Klinke.
»Bis bald«, sage
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