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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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ich. Sie greift nach meinem Arm. Ich drehe mich um. Sie lässt ihn los.
    »Ich freue mich, dass du gekommen bist«, sagt sie und schaut dabei zu Boden.
    »Ja. Aber jetzt …« Ich gehe hinaus. Teufel auch. Setze mich ins Auto, schalte meinen dub ein, fahre. Am Straßenrand liegt etwas Schwarzes – ist das …? Ich bremse, setze zurück. Ein Autoreifen. Ich steige aus und stelle ihn auf. So gut wie kein Profil mehr. In Südafrika wurde Verrätern des ANC ein Autoreifen um den Hals gelegt, dann wurde er mit Benzin übergossen und angezündet – ein brennendes Halsband, ein Schmuck. Ich werfe den Reifen in den Kofferraum, nehme ihn mit nach Hause. Vielleicht kann ich ihn noch gebrauchen.
    Am nächsten Tag kommt Haiko zu mir, als ich in meiner Dienststelle erscheine.
    »Deine Augen sehen aus wie zwei Pisslöcher in einer Schneeverwehung.«
    »Danke.«
    »Was hast du um diese Zeit nachts am Hafen zu suchen?«
    »Ich musste auf die Toilette.«
    »Und dabei verbeulst du den Wagen?«
    »Nein, ich war das nicht. Er … da war dieser Typ, der Chef der Fleischfabrik. Ich habe seinen Namen, und ich hab’s gestern auch gemeldet. Die Polizei hätte ihn verhaften müssen.«
    »Nein, die Polizei war gar nicht dort. Und der Direktor sagt, er hätte nichts getan.«
    »Du kannst den Sicherheitsdienst am Tor fragen. Dieser Typ war der Einzige, der gestern Nacht dort herumgefahren ist. Es kann nur er gewesen sein. Das ist vollkommen klar. Wir haben den Zusammenstoß gehört. Wir haben gesehen, wie er davonfuhr.«
    »Was treibst du da eigentlich, am Hafen?«, will Haiko wissen.
    »Ist doch sinnvoll, wenn wir dort bei den Wachen vorbeifahren.«
    »Was meinst du mit sinnvoll? Jedenfalls bezahle ich nicht für deine Liebesaffären.«
    »Es gehört zum Job, dass die motorisierten Wachmänner hin und wieder vorbeifahren und überprüfen, wie es bei den stationären Posten aussieht«, verteidige ich mich.
    »Das ist nicht dein Job.«
    »Steht aber im Handbuch«, sage ich und gehe zum Schreibtisch, auf dem eins liegt. Ich schlage die Passage auf und zeige sie Haiko. Er bewegt die Lippen beim Lesen.
    »Das wusste ich nicht«, sagt er.
    »Ich erledige nur meine Arbeit.« Dem Fleischboss passiert nichts, er hat die Wachgesellschaft engagiert und bezahlt unseren Lohn. Vielleicht sollte ich mich nicht selbst an das Seil hängen, das ich aus meinem Haar flechte – vielleicht sollte es einen Autoreifen tragen.
    Ich lade Laina in eine Bar ein. Sie trinkt. Viel. Sie erzählt, dass sie aus dem Norden kommt. Von weit oben.
    »Wir mussten dreißig Kilometer bis zur nächsten Bushaltestelle laufen«, sagt sie.
    »Lass uns gehen.«
    »Ich werde nicht mit dir schlafen«, erklärt sie, als wir vor die Tür treten.
    »Nein, aber ich möchte dich nach Hause bringen.«
    Sie übergibt sich in einem dreckigen Schneehaufen.
    »Ich habe ein kleines Problem mit Alkohol.«
    »Okay«, sage ich.
    »Und was ist bei dir nicht in Ordnung?«, fragt sie.
    »Ich bin ein weißer Neger.«
    »Damit kann ich leben.«
    »Wieso trinkst du?«
    »Das erzähl ich dir nie – kannst du damit leben?« Sie schenkt mir ihr giftiges Lächeln. Ich antworte nicht. Vor ihrer Haustür zünde ich mir eine Zigarette an und stecke die Hände in die Taschen.
    »Nanu, du willst es nicht mal probieren?«
    »Nicht heute«, sage ich.
    »Wahrscheinlich, weil ich gekotzt habe.«
    Ich zucke die Achseln.
    »Bis bald«, sage ich, ohne mich zu rühren.
    »Kommst du am Hafen vorbei und trinkst einen Kaffee mit mir?«
    »Wenn du meinst.«
    »Das meine ich«, sagt sie. Ich drehe mich um und gehe mit hochgezogenen Schultern davon. Heim. Starre an die Decke.
    Am nächsten Tag bin ich todmüde. Ich fahre nicht bei Laina vorbei, obwohl ich Lust hätte. Aber ich bin zu müde, um zu reden. Ich hab sie ja auch nicht jede Nacht besucht – vielleicht sollte ich ein paar Tage warten. Das gleiche Problem wie immer. Auf dem Internat in Tansania war ich bei allen Feten der Discjockey; so musste ich nicht tanzen oder mit den Mädchen reden. Ich weiß nie, was ich sagen soll.
    Das Telefon klingelt. Der Wecker zeigt zwölf. Tag oder Nacht? Hinter den Gardinen ist es Tag. Ich habe vier Stunden geschlafen, vollkommen erledigt nach vierzehn Stunden Wache.
    »Ja?«, melde ich mich. Es ist die Polizei.
    »Haben Sie irgendetwas Merkwürdiges im Hauptbüro von Finnair bemerkt? Wann haben Sie Ihre Runde durch das Gebäude gemacht?«
    »Steht in meinem Bericht«, sage ich. »Wie gewöhnlich, um zehn, um eins und um vier.«
    »Haben

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