Revolution - Erzählungen
sage ich.
Er dreht sich um und sieht mich an, legt die Packung und das Feuerzeug auf den Tisch und verlässt den Raum. Ich zünde mir eine Zigarette an, inhaliere tief. Ich habe Durst. Trinke von dem schwarzen Kaffee, der lauwarm ist und nach Staub schmeckt.
McAllan kommt zurück.
»Wir verhören gerade eine Reihe von Zeugen des Unfalls.«
»Kann ich irgendetwas tun?«
»Was meinen Sie?«
»Na ja, was zur Aufklärung beitragen?«
»Im Moment wollen wir uns bloß unterhalten. Ihre Mutter verließ das Land?«
»Ja, meine Mutter ging.«
»Sie war eine selbstständige Frau?«
»Ja. Es vergingen dreizehn Jahre, bevor ich sie wiedersah.«
McAllan stößt einen langgezogenen Pfiff aus.
»Nach einigen Jahren lernte meine Mutter einen schwarzen Amerikaner im Krankenhaus von Kingston kennen; er verkaufte medizinische Ausrüstung in der Karibik. Sie heirateten, und sie kam mit in die USA und fand Arbeit in einem Krankenhaus in Chicago.«
»Und Sie waren zu der Zeit noch in Afrika?«
»Ja.«
»Wieso Kuba?«, erkundigt sich McAllan plötzlich.
»Kuba?«
»Sie haben in Kuba studiert.«
Ich sehe ihn an. Er zuckt die Achseln. Ich habe nichts über Kuba gesagt. Er hat sich in einer Datenbank informiert. Die amerikanischen Behörden müssen registriert haben, dass ich während meines Studiums vier Mal von Kuba über Mexiko in die USA eingereist bin, um Mutter und Großmutter in Chicago zu besuchen. Vielleicht hat er gelesen, dass ich das Embargo brechen wollte, als ich versuchte, eine Flasche Havana Club zu schmuggeln, um sie Großmutter zu schenken. Mutter hatte ihre alte Mutter aus Jamaica nach Chicago geholt. Ich war zwanzig, als ich meine Großmutter zum ersten Mal gesehen habe. Sie war eine schöne alte Frau, die wie Bob Marley sprach. Vor einem halben Jahr ist sie gestorben.
»Warum wollen Sie etwas über Kuba wissen?«
»Na ja, es ist so … wir müssen uns ja irgendwie die Zeit vertreiben, bis die Zeugen vernommen und die technischen Untersuchungen auf der Autobahn abgeschlossen sind«, antwortet er und fügt hinzu: »Ich bin irischer Abstammung. Colin McAllan heiße ich, meine Urgroßeltern kamen als Kinder auf der Flucht vor der großen Hungersnot aus Irland nach Albany.«
»Ich ging zunächst auf die Universität in Tansania, aber das lief nicht so gut, dann kam ich nach Kuba.« Ich lasse meine Zigarettenkippe in seinen Becher fallen, die Glut zischt und verglüht.
»Wieso lief es in Tansania nicht?«
»Mein Vater hatte seine Stellung als Professor an der Universität aufgegeben und eine Privatklinik eröffnet, obwohl das eigentlich unmöglich sein sollte im afrikanischen Sozialismus. Aber mein Vater war der Leibarzt der ganzen großen Nummern in der Regierung, also ließ man ihn in Ruhe, und er verdiente gut.«
Ich erwähne nicht, dass mein Vater das Geld auch brauchte, um für meinen jüngeren Bruder und mich die Internationale Schule zu bezahlen, damit wir eine anständige Ausbildung bekamen.
»Die alten Kollegen meines Vaters auf der Uni waren neidisch auf seinen Erfolg. Das bedeutete, dass ich ständig bei Prüfungen durchfiel und schikaniert wurde, aus Rache an meinem Vater.«
»Deshalb haben Sie die Universität in Afrika verlassen?«
»Ja.«
»Afrikanischer Sozialismus. Ist das so eine Art Kommunismus?«
»Ja. Jedenfalls funktioniert es nicht.«
»Korrupt wie Mexiko?«
»Oder Kuba«, ergänze ich.
»Wie sind Sie dann nach Kuba gekommen?«
»Mein Vater besorgte mir ein Stipendium an der Universität von Camagüey.«
»Wie macht man das?«
»Indem man den Leistenbruch des kubanischen Botschafters operiert und ihm ein hübsches Ferienhaus an der tansanischen Küste verschafft.«
»Korruption also?«
»Ja«, bestätige ich. Ich habe meinem Vater bei der Operation assistiert, das habe ich seit meinem dreizehnten Lebensjahr getan. Blut stört mich nicht. Ich trinke von dem lauwarmen Kaffee, obwohl er nach Staub schmeckt.
»Und wie war Kuba?«
»Ich bin gern dort gewesen. Ich habe Spanisch und Rum trinken gelernt, ich habe mit Studenten aus Angola, der Sowjetunion, Venezuela und Jamaica im Studentenwohnheim gewohnt. Es war lustig.«
»Und nach dem Studium sind Sie in die USA gekommen?«
»Ja.«
»Weil Ihre Mutter die Staatsbürgerschaft besaß?«, fragt er nach. Ich schaue ihn an. Begreift er, dass die USA jetzt die Früchte meines Gehirns ernten, die in der Dritten Welt gesät wurden? Ich bin ein Geschenk – bereit, in amerikanische Kinder zu schneiden, die unter dem Gewicht
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