Revolution - Erzählungen
und setzt sich.
»Okay.«
»Tansania«, sagt er. »Wie sind Sie in den USA gelandet?«
»Wieso?«
»Seien Sie so freundlich und beantworten die Frage.«
»Meine Mutter lebt hier«, sage ich und zucke die Achseln.
»Ja, aber Sie kommen aus Afrika«, fragt er nach, wobei er seinen Kugelschreiber zwischen den Fingern dreht. »Was macht Ihr Vater?«
»Mein Vater? Warum wollen Sie das wissen?«
»Seien Sie so liebenswürdig und beantworten Sie einfach die Frage«, insistiert er. Ich hole tief Luft.
»Mein Vater ist schwarzer Tansanier. Er kam in den späten fünfziger Jahren nach England und studierte Gynäkologie. Tansania stand damals noch unter britischem Protektorat. In London traf er eine schwarze Krankenschwester aus Jamaica – meine Mutter. Sie heirateten, und ich wurde geboren. Als er seine Ausbildung beendet hatte, reisten wir drei nach Tansania, das inzwischen unabhängig geworden war, und mein Vater wurde der erste tansanische Gynäkologie-Professor an der Universität von Daressalaam.« McAllan macht sich keinerlei Notizen.
Ich denke an Mutter. Sie hat mir erzählt, dass damals alle an den Sozialismus glaubten und daran, dass mwalimu Nyerere Tansania zu einer guten Nation aufbauen würde. Träume und Unfähigkeit. Das Ganze entwickelte sich zu einer Katastrophe.
»Aber Ihre Mutter lebt hier?«
»Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich sechs Jahre alt war. Meine Mutter durfte mich nicht aus Tansania mitnehmen. Sie hatte auch keine Möglichkeit, mich zu versorgen. Sie ging zurück nach Jamaica und wurde Krankenschwester in einem Krankenhaus in Kingston.«
»Warum wurden sie geschieden?«
»Ist das nicht egal?«
Der schwarze Beamte betritt den Raum, McAllan dreht sich zu ihm um. Sie wurden geschieden, weil meine Mutter nicht so sein konnte wie die tansanischen Frauen, sie wollte sich meinem Vater nicht unterordnen. Das war der Grund, warum sie als Jugendliche Jamaica verlassen hatte, um in England zu leben. Jedenfalls hat sie es mir so erklärt.
Der schwarze Beamte stellt zwei Plastikbecher auf den Tisch. Der Weiße schaut erst in die Kaffeebecher, dann auf mich.
»Er ist sicher, dass Sie ihn schwarz trinken«, sagt er. Das Gesicht des Schwarzen zeigt ein schiefes Lächeln.
»Sie trinkt ihn schwarz, weil ich nur Schwarzen habe.«
»Soll ich Ihnen eine Hand aufschließen?«, fragt McAllan.
» Tsk «, schnalze ich und schaue auf die Wand, an der nichts zu sehen ist.
»Tja, schwarz ist offenbar nicht ihr Fall.« McAllan sieht den Schwarzen an.
»Ist eine Frage des Durstes. Sie wird ihn schon trinken«, erwidert der Schwarze und verlässt den Raum.
»Ich trinke keinen Kaffee.«
»Nein, nein«, sagt McAllan, zieht ein Päckchen Zigaretten aus der Brusttasche und zündet sich eine an. »Erzählen Sie mir vom Leben in Afrika.«
»Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.«
Er stößt den Rauch aus, seufzt.
»Hören Sie, das war nur ein Spaß. Es war ein langer Tag. Wir sind keine Rassisten – das wäre zu einfach. Und zu absurd.«
»Reden Sie ruhig weiter, wenn Sie so gern Ihre Stimme hören«, erwidere ich.
»Sind Sie Rassistin?«, will er wissen.
»Wieso wäre das zu einfach?«, frage ich zurück.
»Was?«
»Rassist zu sein?«
»Weil alle Menschen Rassisten sind, wenn Sie ihnen auch nur die geringste Chance dazu geben. Auch Sie. Auch ich. Die rassistische Reaktion kommt zuerst.«
»Wie?«
»Ein weißer Mann rempelt Sie in einer Cafeteria an, und Sie bekleckern sich. Er geht weiter, ohne sich zu entschuldigen – und Sie denken: Kann das weiße Schwein sich nicht vorsehen!? Oder ein Schwarzer rempelt mich an – und ich denke: Kann der schwarze Affe nicht aufpassen?! Der Mann ist in beiden Fällen ein unaufmerksames Arschloch, aber wir entscheiden uns, seine Handlung einer Boshaftigkeit zuzuschreiben, die an seiner Rasse liegt. Das steckt uns im Blut. Wir alle sind Stammeskrieger. Ich bin vom weißen Stamm, Sie vom schwarzen.«
»Aha«, entgegne ich. »Nur sitze ich hier gefesselt am Tisch, während Sie frei umherspazieren.«
McAllan nickt und trinkt einen Schluck Kaffee. Er verzieht das Gesicht, bevor er die Asche seiner Zigarette in die Tasse fallen lässt. Auf seinem Block hat er noch immer nichts notiert. Er steht auf, beugt sich vor, schließt die Handschellen auf, entfernt sie, schaut auf seine Uhr.
»Ich gehe jetzt raus und sehe nach, wie die Sache vorankommt. Sie können in der Zwischenzeit ja versuchen, mir zu vergeben.«
»Sie könnten Ihre Zigaretten hier lassen«,
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