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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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kurzgeschnittenes Haar. Seine Augen sind grün.
    »Wieso bin ich hier?«
    »Sie werden verdächtigt, von einem Unfallort geflohen zu sein«, sagt er, richtet sich auf und geht zur Tür. »Es kommt jemand, der Sie verhören wird«, fügt er hinzu und geht. Mehr erfahre ich nicht. Ich schaue auf meine Armbanduhr. Es ist halb sieben. Allein. Meine Hosentasche erreiche ich nicht, doch dann fällt mir ein, dass die Zigaretten auf dem Beifahrersitz meines Wagens liegen.
    Was wird passieren? Was kann passieren? Muss man Amerikaner sein, um das Recht auf einen Anwalt zu haben? Wie sehen meine Rechte aus? Sie wurden mir bei der Verhaftung nicht vorgelesen. Oder haben sie es getan? Möglicherweise ist die Verhaftung illegal? Ich bin gefesselt. Wenn ich das Elvis-Band nicht gekauft hätte, wäre das nie passiert.
    Ein schwarzer Beamter mit einem Block und einem Kugelschreiber kommt herein – ich glaube, es ist der, der mit der Pistole auf mich gezielt hat. Ich bin schwarz. Er ist schwärzer. Was heißt das? Er ist Amerikaner. Der weiße Beamte, ist er anders? Ist das ein Spiel zwischen dem guten und dem bösen Cop? Welche Farbe hat der Gute? Der schwarze Beamte setzt sich auf einen der beiden Stühle vor dem Tisch. Sie sind nicht festgebolzt.
    »Wie ist Ihr Name?«
    »Shakila Smith«, antworte ich. Smith ist der Sklavenname meiner Mutter aus Jamaika. Ihre Eltern waren afrikanische Sklaven und arbeiteten auf den Zuckerrohrplantagen, die den weißen englischen Aristokraten gehörten – Mutter hat auch etwas weißes Blut in sich. Ich habe den Namen angenommen, um in den USA anonym zu sein.
    »Woher kommen Sie?«, will der Beamte wissen.
    »Ich wurde in London geboren, habe aber die tansanische Staatsbürgerschaft, das liegt in Ostafrika. Ich wohne in Gary, Indiana.« Ich nenne ihm die Adresse. Er ist auch aus Afrika, aber das ist lange her.
    »Haben Sie eine Aufenthaltserlaubnis?«
    »Ja.«
    »Wieso halten Sie sich in den USA auf?«
    »Ich …«, beginne ich und halte inne. Wie soll ich das erklären? Um ein besseres Leben zu führen – das kann ich nicht sagen. Ich atme tief ein: »Meine Mutter ist Amerikanerin. Daher bin ich hierher gezogen, ich wollte in ihrer Nähe sein.«
    »Womit beschäftigen Sie sich?« Er schaut mich prüfend an.
    »Ich habe die green card und arbeite als Laborantin im Chicagoer Universitätskrankenhaus. Meine Papiere liegen in meiner Handtasche im Auto. «
    »Erzählen Sie, was passiert ist.«
    »Ich bekam Angst, deshalb bin ich einfach weitergefahren.«
    »Erzählen Sie mir nur, was passiert ist. Mit Ihren eigenen Worten, von Anfang an.«
    Und ich erzähle. Von dem Mazda, der den Stau auf der fünften Spur übersehen hat. Wie ich die beiden Autos gerammt habe und zwischen ihnen hindurchfuhr.
    »Es war nicht meine Schuld«, sage ich. »Es tut mir leid, dass ich nicht angehalten habe, aber ich bekam Angst. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.«
    Er notiert etwas auf seinem Block. Soll ich ihm erzählen, dass ich die Polizei anrufen wollte, als sie kamen? Können sie Kontakt mit der Telefongesellschaft aufnehmen und überprüfen, welche Nummer ich auf dem Münztelefon gewählt habe?
    »Danke«, sagt er, steht auf und geht. Was jetzt? Die Tür ist geschlossen. Ich habe Angst, dass ich mal pinkeln muss – was mache ich dann? Meine Zunge klebt mir am Gaumen. Die Luft ist sehr trocken. Ich denke an meinen Vater. Er wird langsam alt. Ich habe ihn sieben Jahre nicht mehr gesehen, wir haben nicht sehr viel Kontakt. Als meine Mutter Tansania verließ, hat er noch einmal geheiratet, und ich wurde von der ersten Klasse an aufs Internat in Arusha geschickt, damit die neue Frau mich nicht ertragen musste. Nach sieben Jahren in Arusha kam ich auf die Internationale Schule in Moshi, voller Kinder von Diplomaten und Entwicklungshelfern. Dort blieb ich, bis ich auf die Universität gehen konnte. Ich zog bei Vater und meiner Stiefmutter in Daressalaam ein. Es ging nicht gut. Vater überließ die häuslichen Angelegenheiten meiner Stiefmutter, und sie favorisierte ihre eigenen Bastarde. Okay, Vater – du hast dich von ihr zum Schwächling machen lassen. Du hast mich im Stich gelassen. Du wirst einsam sterben. Aber du hast dafür gesorgt, dass ich eine Ausbildung bekam. Du hast mich aus Tansania herausgebracht. Danke für alles.
    Ich sehe auf meine Uhr. Eine Stunde ist vergangen. Ich muss nicht pinkeln, aber ich habe Durst.
    Der weiße Beamte kommt mit Block und Stift zur Tür herein.
    »Ich heiße McAllan«, sagte er

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