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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Fahrbahn entstand. Auf dieser Fahrbahn bewegte sich etwas: ein schwarzer, vielgliedriger Apparat, wie ich noch keinen gesehen hatte. Auf den ersten Blick erinnerte er an eine eiserne Tarantel.
    Ich spürte ein Kribbeln im Nacken.
    Das Ding hatte das Ende der Brücke erreicht, schwenkte ab und kam auf uns zu. Gezogen wurde es von zwei mechanischen Pferden, klapperdürren schwarzen Maschinen mit sehnigen, kolbenbetriebenen Beinen. Wenn sie schnaubten, quoll aus den Ansaugöffnungen Dampf. Sie musterten uns mit bösartigen roten Laseraugen. Die Pferde waren vor eine vierrädrige Kutsche gespannt, die etwas größer war als der Volantor, und auf dem Bock hockte ein humanoider Roboter ohne Kopf. In seinen fleischlosen Händen hielt er Steuerseile aus Eisendraht, die in die stählernen Pferdehälse mündeten.
    »Hältst du das für Vertrauen erweckend?«, fragte ich.
    »Ein altes Familienerbstück«, sagte Childe und öffnete eine schwarze Tür an der Seite der Kutsche. »Mein Onkel Giles war Automatenbauer. Leider war er – aus Gründen, zu denen wir noch kommen werden – auch ein ziemlich mieser Dreckskerl. Aber das soll euch beide nicht weiter stören.«
    Er half uns in die Kutsche und stieg als Letzter ein. Dann schloss er die Tür und klopfte gegen das Dach. Die mechanischen Pferde schnaubten und trommelten ungeduldig mit ihren Metallhufen. Das Gefährt setzte sich in Bewegung, wendete und fuhr den sanft gewölbten Brückenbogen wieder hinauf.
    »Haben Sie sich hier während Ihrer gesamten Abwesenheit versteckt, Mr. Childe?«, fragte Trintignant.
    Childe nickte. »Seit diese Familiengeschichte publik wurde. Hin und wieder erlaube ich mir einen Besuch in der Stadt – so wie heute –, aber ich bemühe mich, solche Ausflüge auf ein Minimum zu beschränken.«
    »Hattest du bei unserer letzten Begegnung nicht noch Hörner?«, wollte ich wissen.
    Er rieb sich den glatten Schädel an der Stelle, wo die Hörner gesessen hatten. »Musste sie entfernen lassen. Mit ihnen wäre jede Verkleidung hinfällig gewesen.«
    Wir überquerten die Brücke. Ein Pfad führte zwischen die hohen Bäume hinein, die das Haus auf der Insel umstanden. Childes Kutsche hielt vor dem Gebäude an, und ich konnte es zum ersten Mal ungehindert betrachten. Es löste nicht gerade Begeisterungsstürme aus. Von der Architektur her war es planlos; was früher einmal an Symmetrie vorhanden gewesen sein mochte, war längst unter einer Fülle von An- und Umbauten verschwunden. Das Dach war ein Sammelsurium von verschieden geneigten Flächen und strotzte nur so von Türmchen, Zinnen und bedrohlich anmutenden Turmverliesen. Nicht alle diese Schnörkel waren streng im rechten Winkel zueinander angeordnet, und zwischen einzelnen Gebäudeteilen bestanden krasse Unterschiede, was den Baustil und das scheinbare Alter anging. Seit wir die Höhle erreicht hatten, waren die Lichter an der Decke schwächer geworden, als bräche die Dämmerung an, aber nur wenige Fenster waren erleuchtet, und sie befanden sich alle im linken Flügel. Der Rest des Hauses wirkte abweisend, der helle Stein, die chaotische Bauweise und die vielen dunklen Fenster vermittelten den Eindruck einer Schädelstätte.
    Wir waren noch nicht ganz ausgestiegen, da kam bereits das Empfangskomitee aus dem Haus, eine Gruppe von Servomaten – humanoiden Hausrobotern, wie sie in der Stadt selbst ganz alltäglich gewesen wären –, nur so gestaltet, dass sie als Ghul-Skelette oder Ritter ohne Kopf daherkamen. Auch die Mechanik war verändert worden, sie hinkten und knarrten zum Gotterbarmen, und die Voicebox war bei allen deaktiviert.
    »Dein Onkel muss viel freie Zeit gehabt haben«, sagte ich.
    »Du wärst von Giles begeistert gewesen, Richard. Er war zum Schreien komisch.«
    »Das glaube ich dir aufs Wort.«
    Die Servomaten geleiteten uns in den Mitteltrakt des Gebäudes und durch ein Labyrinth von dunklen, kalten Korridoren.
    Schließlich betraten wir einen großen Raum, der ganz mit rotem Samt ausgeschlagen war. In einer Ecke stand ein Holoklavier, über der Tastaturprojektion schwebte ein aufgeschlagenes Notenbuch. Außerdem registrierte ich einen Schreibsekretär aus Malachit, eine Reihe wohl gefüllter Bücherregale, einen Kronleuchter, drei kleinere Kerzenständer und zwei offene Kamine in unverkennbar gotischem Stil. In einem davon prasselte sogar ein Feuer. Das wichtigste Möbelstück war jedoch ein Tisch aus Mahagoni, um den sich drei weitere Gäste versammelt hatten.
    »Bedauere, dass Sie

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