Rezepte Gegen Liebeskummer
beim ersten Klingelzeichen.
Will er mich wohl jetzt erreichen?
»Oh Verzeihung, falsch verbunden!«
ist der Anruf schon verschwunden.
Wieder fängt es an zu läuten,
soll das nun mein Glück bedeuten?
»Hallo mein Kind, wie geht es dir?
Tante Hildegard ist hier!«
Tante Hildegard, die Gute,
spricht Minute um Minute.
Bei Ischias und Gallenleiden
kann ich ein Gähnen kaum vermeiden,
flehe still und leis dabei:
Mensch, Tantchen, mach die Leitung frei!
Als mein Trommelfell schon bebt
und das Ohr am Hörer klebt,
ist eine Stunde Zeit verschwendet
und endlich das Gespräch beendet.
Der Weg zu mir ist wieder offen,
ich darf geduldig weiterhoffen.
Das Haarewaschen werd ich lassen,
könnt das Klingeln sonst verpassen.
Um nicht ständig dran zu denken,
versuche ich mich abzulenken,
schalt die Flimmerkiste an,
blättre ziellos im Roman,
putz die Küche, wische Staub,
stell mir vor, ich wäre taub,
dann säße ich nicht horchend rum
denn meine Welt wär völlig stumm.
So lange warten ist doch öd,
ich fühl mich langsam ziemlich blöd.
Hab ich das nötig? Dreimal nein!
Das ist doch wirklich zu gemein.
Soll er’s doch, wann er will, probieren,
ich geh jetzt extra lang spazieren!
Vor lauter Glück über diesen neuen wunderbaren Menschen neigen viele dazu, ihre bisherigen Verhaltensweisen komplett anzupassen. In den ersten rosaroten Wochen empfinden sie diese Veränderungen vorwiegend angenehm und positiv, neu und aufregend. Sie bewundern und lieben das Anderssein des Partners und finden seine Interessen wesentlich interessanter als die eigenen. Paradebeispiel sind die kuriosesten oder extremsten Sportarten und Hobbys, an denen man vorher niemals interessiert war, aber urplötzlich rasenden Gefallen daran findet. Doch was anfangs als liebevolles Zugeständnis, aus vollem Herzen und dem Wunsch nach Harmonie und Zusammengehörigkeit getan wird, kann sich nach der ersten Verliebtheitsphase schnell als Selbstverleugnung oder sogar als Identitätsverlust entpuppen.
Und nun kommt oft der Clou des Ganzen: Der angehimmelte Partner, für den man sich so zurückgenommen hat, wendet sich wie aus heiterem Himmel desinteressiert ab. Ist ja auch kein Wunder, denn die Person, in die er sich ursprünglich verliebt hatte, scheint es nicht mehr zu geben. Sie hat sich aufgelöst, quasi in der übertriebenen Anpassung selbst absorbiert. Die Bemühungen, den anderen zu halten und alles recht zu machen, haben genau den gegenteiligen Effekt erzeugt.
Oder die andere Variante: Das unausgewogene Arrangement trägt wesentlich länger, doch dann stellt jemand vielleicht erst nach Jahren kostbarer Lebenszeit fest, wie lange er es versäumt hat, authentisch und somit erfüllt zu leben.
Vielleicht neigen Sie ja gerade zu Beginn einer Partnerschaft dazu, viel zu viel zu geben. Vielleicht, weil Sie ein großes Herz haben; vielleicht aber auch, weil Sie auf Anerkennung und die Bestätigung hoffen, gebraucht zu werden. Und damit sind wir beim Thema Selbstwert. Denn das Motiv, sich selbst übertrieben zurückzunehmen, resultiert bei aller noch so sympathischen Rücksichtnahme meist in einem tief verwurzelten Gefühl von Ungenügen und der Angst vor Ablehnung. Wenn sich jedoch der eine stets anpasst, dem anderen mehr oder weniger »nachläuft« und meistens zu viel gibt, muss sich die andere Person schon aus Gründen der Ausgewogenheit immer mehr zurücknehmen.
So kann es passieren, dass Sie vor lauter »Zu«neigung aus dem Gleichgewicht geraten und die Beziehung für beide Partner in eine Schieflage gerät. Stellen Sie sich dies mal wortwörtlich als Balance-Übung vor, dann bekommen Sie sofort ein Gespür dafür, wie unangenehm sich die Situation für beide Seiten anfühlt. Da erzeugt die Vorstellung einer ständig zugeneigten, sich selbst an den anderen abgebenden Person etwas sehr Zurückdrängendes. Zu viel Geben kann tatsächlich Druck erzeugen, zum Beispiel Erwartungsdruck, sich gleich wieder revanchieren zu müssen, sowie eine gewisse Enge, in der man nur schwer von sich aus agieren kann, weil der andere immer schneller und aufmerksamer ist.
Das unausgewogene Kräfteverhältnis zeigt sich oft schon zu Beginn einer Beziehung. Und genau diese Unausgewogenheit ist manchmal der Grund, weshalb sich nach den ersten glücklichen, scheinbar ungetrübten Wochen der defensivere Partner von heute auf morgen zurückzieht. Vielleicht haben Sie diese Situation schon selbst erlebt und dann zutiefst enttäuscht gedacht: »Aber
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