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Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Titel: Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Höcker
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einem Priester gegenüber. Die brennende Opfereiche spiegelte sich in seinen grünen Augen, sein narbiges Gesicht glänzte nass.
    „Rache!“
    Auriel stolperte an ihm vorbei, tauchte in der Menschenmasse unter.
    „Übergebt sie alle den Flammen!“, forderten die Priester. „Tod den Schwarzhexern! Tod den Finstermagiern!“
    Im gleichen Moment tauchte wie aus dem Nichts ein Krieger vor Auriel auf. Er wollte sie am Kragen fassen, als es der jungen Zauberin im letzten Moment gelang, sich unter dem ausgestreckten Arm des Mannes hindurchzubücken und zu entkommen.
    In blinder Panik beschloss die Novizin zu fliehen. Sie erkannte weder Freund noch Feind, wusste kaum mehr, wohin sie die Füße trugen. In ihrem Kopf manifestierte sich einzig der Gedanke an die Flucht. Sie wollte nichts sehnlicher, als dem Flammentod zu entgehen und so rannte sie, Seite an Seite mit vielen ihrer Brüdern und Schwestern, auf den Waldrand zu.
    Klingen blitzten auf, magische Entladungen zuckten durch die Dunkelheit. Von bizarren Schatten bedeckte Gesichter tanzten durch die Nacht, während der Geruch von verbranntem Fleisch und verkohltem Holz sich mit dem schallenden Gelächter der Priester und den schrillen Todesschreien der Hingerichteten vermischte. Wie eine Woge aus Tod und Hass spülte das Grauen die Flüchtenden vor sich her.
    Auriel spürte nicht, wenn sie mit ihren bloßen Füßen auf eine Waffe trat, fühlte nicht die Blutlachen am Boden und ebenso nicht die zahlreichen Toten, auf die sie treten musste. In blinder Hast jagte sie durch die Nacht, vor ihren Augen nichts als den Waldrand sehend. Der Waldrand, ich muss es schaffen. Gleich ... dort ... dort vorne ...
    Brandpfeile ließen immer neue Flammen entstehen und die Magie der Priester ließ das Feuer zu einem Inferno heranwachsen, sodass es wirkte, als würden die Funken das Himmelszelt durchschlagen. Schon jetzt drang das Bersten von Holz an Auriels Ohren. Die ersten dicken Äste von Drewja zersplitterten und fielen zu Boden.
    „Drewja!“ Noch immer drangen die Stimmen der Märtyrer an Auriels Ohren, die sich in Todesmut in die Flammen stürzten, um die Opfereiche in letzten verzweifelten Handlungen zu retten. Zwischen dem Knacken und Knistern der sengenden Flammen ertönten die grellen Schreie derjenigen, die in dem Feuer ihr Ende fanden und das Bersten von Knochen.
    Niemand vermochte es, die Flammen zu ersticken. Nicht einmal die mächtige Magie des Wassers, die einige der finsteren Zauberer beherrschten, vermochte dem Inferno Herr zu werden.
    Die Novizin warf einen Blick zurück, als sie den Waldrand erreichte. In blutrotes Licht getaucht erblickte sie Chaos, wo auch immer ihre Blicke die Lichtung streiften. Schon fingen die umstehenden Bäume Feuer, für Drewja bestand keinerlei Hoffnung mehr. Der Schein der aufsteigenden Flammen tauchte die Lichtung in helles, flackerndes Licht und schleuderte zugleich, wie zum Hohn, Funken zum schwarzen Himmel hinauf, die das Unheil auf die umstehenden Pflanzen ausweiteten.
    „Ich muss Kentaro finden“, keuchte Auriel. Erschöpft wischte sie sich über die Stirn. Schweißperlen tropften von ihrer Nase, flossen in ihrem Nacken zusammen und tränkten ihre Kleider. Nicht nur die Glut des Feuers, auch Angst und Anstrengung ließen die Hitze in diesem Wald beinahe unerträglich werden.
    Bevor das Ritual begonnen hatte, hatte Auriel Kentaro, ihr Pferd, mitsamt ihrer Ausrüstung zwischen den Bäumen zurückgelassen. Sie war mit ihrem Mentor zusammen angereist und hatte sich an seiner Seite bereits im Wald für das Fest gewandet und geschmückt. Ihre gewöhnlichen Kleider, ihre Schuhe und alles, was sie außerdem besaß, befanden sich in den Satteltaschen des Anderdachters.
    „Ich muss mein Pferd finden.“ Auriels Blicke hasteten durch den dunklen Wald. Mittlerweile war sie so weit gelaufen, dass der Schein des Feuers nur noch wenig Licht spendete. Sie war inzwischen allein. Auch wenn sie die Schreie der Krieger und das Waffenklirren noch hören konnte, wusste sie, dass sie sich in Sicherheit befand – zumindest vorerst. Auriel ahnte, dass die meisten ihrer Brüder und Schwestern den Waffen der feindlichen Krieger zum Opfer gefallen oder den Flammen übergeben worden waren. Sie spürte tief in ihrer Brust, dass der Zirkel unter den verwobenen Grauen nach dieser Nacht nicht länger existieren würde.
    Es ist vorbei. Unseren Zirkel gibt es nicht mehr, der Bund ist gebrochen , erkannte die junge Frau melancholisch und suchte weiter nach ihrem

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