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Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Titel: Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Höcker
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die Ohren, strich zärtlich über seine weichen Nüstern. Dann stellte sie sich unmittelbar vor das Tier und erklärte: „Wir müssen hier fort, Kentaro. Priester und Krieger haben unseren Zirkel überfallen und versuchen, jeden unserer Zauberer zu töten. Sie sind auch hinter mir her!“
    Der Anderdachter nickte kaum merklich. Ohne zu zögern, folgte er Auriel, die unbeirrt ihren Weg durch die Dunkelheit fortsetzte. Während sie hastig Stück um Stück ihres Weges zurücklegten, holte Auriel ihre Stiefel aus einer der beiden Satteltaschen hervor und schlüpfte hinein, ohne anzuhalten. Um keinen Preis wollte sie länger an einer Stelle verweilen, als nötig war – zu sehr fühlte sie sich verfolgt und beobachtet.
    Auriel kam es vor, als hätten die Bäume Augen und die Steine Ohren und würden jeden ihrer Schritte beobachten. Das Herz pochte ihr bis zum Hals hinauf – selbst in den Lippen spürte sie noch das sachte Klopfen ihrer pulsierenden Adern.
    Selbst ihr gelassener Gefährte, der sich fast nie aus der Fassung bringen ließ, vermochte sie nicht zu beruhigen – seine harmonische Aura konnte nicht auf die junge Frau übergehen.
    Die beiden Gefährten zogen Stunde um Stunde durch die Nacht und den Wald, der immer dichter wurde, statt sich zu lichten. Auriel hatte kein Ziel, ihren Weg beschritt sie ohne jede Orientierung und auch wusste sie nicht, wo ihre Reise dereinst enden sollte.
    An einem einzigen Abend waren ihre Heimat, ihr Lebensinhalt und alles, was sie kannte, in einem einzigen, großen Donnerschlag vernichtet worden. Sie war eine Novizin auf dem Weg, eine große und mächtige Hexerin zu werden, doch nun hatte sie ihren Zirkel und ihren Mentor verloren. Weil sie noch so jung und unerfahren war, barg jeder Weg in die Fremde unerbittliche Gefahren für sie. Auriel beherrschte einige Fähigkeiten, konnte mit verschiedenen Waffen umgehen und sprach mehrere Sprachen. Dennoch wusste sie, dass ihr Mentor – der Hohepriester – sie in ihrem derzeitigen Kenntnisstand niemals allein hätte ausziehen lassen.
    Auriel seufzte. Der Weg, den sie zu beschreiten hatte, wirkte hoffnungslos. Doch sie war nicht bereit, aufzugeben.
     
    Nach etlichen Stunden und noch mehr Meilen des Reisens legten Kentaro und seine Gefährtin eine Pause ein. Auriel legte ihr festliches Kleid ab, um ihre gewohnte Reisekleidung zu tragen.
    Schnell schlüpfte sie in eine weite Hose aus schwarzem, weichen Tuch und steckte diese in die weiten Schäfte ihrer bis zu den Knien reichenden, dunkelbraunen Stulpenstiefel. Dann zog sie eine braune Bluse mit fein geschwungenen und mit Stickereien versehenen Trompetenärmeln über. Darüber hinaus schlüpfte sie in eine lange, lila gefärbte Tunika aus dickem, gefütterten Stoff mit kurzen Ärmeln. Ihre Oberbekleidung hielt sie mit zwei Ledergürteln zusammen – an den ersten schnürte sie die Scheide ihrer Basiliskenzunge, an den zweiten ihren prall gefüllten Geldbeutel. Schließlich legte sie ihren schweren, grünen Umhang über ihre Schultern, flocht einen großen Teil ihres Haares zu etlichen kleinen Zöpfen und legte ihren silbernen Schmuck, den sie für das Thyng-Hân Ritual hatte ablegen müssen, wieder an – einen Stirnreif, verschiedene Ringe und Armreifen.
    „Ach, Kentaro, so fühle ich mich bedeutend wohler.“ Auriel lächelte dem Anderdachter zu. Ein sanftes Schnauben war seine Antwort.
    Dann griff Auriel nach ihrer Hauptwaffe, dem Greif. Diese Klingenwaffe bestand aus einem mit Leder umwickelten Griff, von dem aus je zwei gebogene Klingen in beide Richtungen abführten. Während zwei der Klingen leicht nach oben gebogen waren, schwangen sich die anderen beiden in entgegengesetzter Richtung. Das blitzende und von Hohlkehlen und Ornamenten gezeichnete Metall war von seinem Schmied oftmals eingekerbt und zu entsetzlichen Widerhaken verformt worden, sodass die Waffe bei jedem Hieb tiefe Wunden zu reißen vermochte. Benannt war die Waffe nach den Greifen, mächtigen magischen Wesen. Ihre flügelartige Klingenform erinnerte an die eindrucksvollen Geschöpfe. Es gab Menschen, die den Umgang mit zwei Greifen gleichzeitig beherrschten, doch Auriel war nicht kräftig genug und viel zu zierlich, sodass sie sich mit einer dieser Waffen zufriedengeben musste.
    Den Greif locker in der rechten Hand haltend setzte die Zauberin ihren Weg durch den nächtlichen Wald fort. Kentaro folgte ihr immerzu.

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