Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
bereits im Schlaf beschloss, es niemals wieder vergessen zu wollen.
Ihre Gedanken zeigten ihr einen Mann, der an Schönheit und Charisma kaum zu übertreffen war – einen Mann von anmutigem Körperbau mit stolzen Gesichtszügen und wundervollen, tiefschwarzen Augen, die Auriel sogleich in ihren Bann zogen. Seine kalte Ausstrahlung lockte sie und sein verwegener Charme weckte kühne Hoffnungen in ihrem Herzen.
„Bleibt noch ein wenig, ich bitte Euch“, hörte Auriel sich selbst murmeln und beobachtete enttäuscht, wie das Bild vor ihren geschlossenen Augen verschwand. „Bitte, geht nicht fort! Wartet doch!“ Ihr Körper erwachte bereits, als sie, noch halb im Schlaf, das unvergessliche Bild des bezaubernden Mannes ein letztes Mal vor sich sah. Dann verloren sich auch die letzten Eindrücke des Traums, die junge Frau erwachte.
Gähnend schlug Auriel die Augen auf und glaubte, ihnen nicht trauen zu können, als sie in die ersten Sonnenstrahlen des jungen Tages blinzelte. Erschrocken ob des Anblicks, den sie unmittelbar vor sich vorfand, schrie sie auf. Blindlings tastete sie nach ihrem Greif, kroch eilends ein Stück zurück.
Direkt vor der Hexerin hockte ein junger Mann auf dem weichen Waldboden. Schweigend blickte er sie aus fein geschwungenen, rabenschwarzen Augen prüfend an. Sein Anblick traf die Zauberin wie ein Donnerschlag. Ihr Herzschlag stolperte vor Aufregung.
„Ihr ... Ihr ...“ Auriel fand keine Worte für ihre Überraschung, sah sie doch eben jenen Mann nun leibhaftig vor sich knien, dem sie noch vor wenigen Augenblicken in ihren Träumen begegnet war. „Ihr seid es, kein Zweifel!“
Seine Augen ... sie sind von solch tiefer Schwärze, als seien sie die Finsternis selbst – beinah unheimlich . Auriel stockte der Atem. Nie zuvor sah ich solche Augen. Mir scheint, als könnte ich durch sie hindurch die Ewigkeit sehen. Auriel fröstelte.
Der Unbekannte verharrte mit unbewegter Miene in seiner angespannten Körperhaltung und gab Auriel somit einen kurzen Moment Zeit, ihn näher in Augenschein zu nehmen.
Der junge Mann war deutlich größer als die Zauberin. Er verfügte über einen schlanken, muskulösen Körperbau und feine, anmutige Züge. Sein Gesicht war von wohlgeformter Schönheit und wurde von zahlreichen kunstvollen Tätowierungen in schwarzer Farbe geziert, die besonders die Augen des Fremden einrahmten und schmückten. Auriel bemerkte, dass sogar die Lider beider Augen schwarz gefärbt waren – ein Merkmal, das dem jungen Mann einen geheimnisvollen Zug verlieh und seine schwarzen Augen besonders zur Geltung brachte.
Sein dichtes, schwarzes Haar war asymmetrisch frisiert, reichte ihm größtenteils aber bis weit über den Rücken hinab und wurde von zahlreichen Zöpfen und Schmuckstücken wie silbernen Perlen und Spangen, Federn und Lederbändern geziert. Die einzelnen Strähnen, die dem dunkel anmutenden Mann verwegen in das Gesicht wehten, trieben ein Schaudern über Auriels Rücken. Sie fühlte sich auf eine unerklärliche Weise zu dem Fremden hingezogen. Sein betörender Duft umfing sie und lockte sie in seine Richtung.
„Wer seid Ihr?“, flüsterte die Hexerin. Heißes Blut schoss in ihre Wangen.
Der Fremde musterte Auriel noch immer. Keine Regung ließ erkennen, was er fühlte oder dachte.
Auriel hielt den Blicken stand, doch versetzte sie die Anwesenheit des Fremden in Unbehagen. Sein finsteres Charisma zog sie an und stieß sie zugleich ab. Seine betörende Schönheit lockte sie, sein verwegenes Äußeres faszinierte sie. Und dennoch fürchtete sie sich.
Schließlich entgegnete der Fremde mit kalter Stimme leise: „Ich bin Rhavîn Khervas, Waldläufer aus dem Volk der Énebiel-Elfen.“
Erst jetzt wurde Auriel der spitzen Ohren des Mannes gewahr, die mit einigen silbernen Ohrringen geschmückt waren. Ebenso bemerkte sie erst in diesem Moment die Teydraga, eine vierarmige, schwere Armbrust, die ihr Gegenüber auf dem Rücken trug.
„Rhavîn Khervas“, wiederholte sie. Die Hexerin konnte ihre Blicke kaum von dem überirdisch schönen Gesicht des Elfen abwenden. „Seid gegrüßt.“ Ihre Stimme brach, sie musste sich räuspern. „Mein Name ist Auriel. Ich bin eine Hexerin des Bundes unter den verwobenen Grauen.“ Sie verbeugte sich kaum merklich. Ihre Nervosität nahm zu, anstatt zu weichen. „Ich bin noch niemals zuvor einem Elfen begegnet. Und ebenfalls noch nie einem Waldläufer. Ich wusste gar nicht, dass es in Bønfjatgar Énebiel-Elfen gibt.“
„Ich bin
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