Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
die aus verschiedenen Fleischsorten lang haltbare Nahrung herstellen können.“ Er erzählte, dass die Untergebenen der Dunkelelfen häufig Menschen und menschliche Betriebe überfielen, um ihnen ihre Nahrungsmittel zu stehlen, sodass ihre Herrn immer wieder auch frische Waren in ihren Vorratskammern zur Verfügung hatten. „Natürlich nehmen sie auch einen Teil der Menschen selbst mit, um aus ihrem Fleisch haltbare Nahrung herzustellen.“ Rhavîn grinste breit. „Selbstverständlich nicht alle, denn wir benötigen schließlich noch Überlebende, die uns dann für die Zukunft weitere Nahrung produzieren. In Form von Vieh und Pflanzen, aber auch menschliche Nachkommen selbst.“
Auriel schauderte bei der Vorstellung, menschliches Fleisch zu essen. Dann jedoch erinnerte sie sich an ihre wahren Ziele auf dem Pfad der schwarzen Künste und sie erklärte mit fester Stimme: „Wenn man seinen wahren Weg gefunden hat, ist Essen ohnehin eine Nebensache. Und wen interessiert dann noch, was man isst? Seien es nun Menschen oder Kühe – die Hauptsache ist, dass man satt wird.“
„Meine Rede!“, lachte Rhavîn. Seine Wangen waren gerötet von Met und Gift, die in seinen Adern tanzten.
„Ein Hoch auf die schwarze Magie!“, rief Auriel heiser und riss ihren Kelch in die Höhe, sodass der Honigwein in alle Richtungen spritzte.
„Ein Hoch auf Fürst Lhagaîlan daé Yazyðor!“, fiel Rhavîn ihr ins Wort.
„Ein Hoch auf die verwobenen Grauen!“, kicherte Auriel betrunken. „Ein Hoch auf dich, Rhavîn!“
Die beiden lachten und scherzten noch lange, bis sie schließlich am Feuer einschliefen. Der letzte Rest des Mets sickerte aus ihren umgestoßenen Bechern und verdampfte in dem eisernen Kessel, der über den versiegenden Flammen hing.
Der Raum wurde von schwüler Luft und dem weißen Rauch des Feuers erfüllt, doch weder Rhavîn oder Auriel noch die beiden Tiere im vorderen Bereich des Hauses bemerkten etwas davon.
Stille lag über Skogrigg. Das Dorf schien zu schlafen, auch wenn außer den vier Eindringlingen niemand dort war – die Nacht brach über Bønfjatgar herein und brachte friedlichen Schlaf.
Zehntes Kapitel: Nächtlicher Aufruhr
In ihren Träumen durchlebte Auriel, wie auch in den Nächten zuvor, eine lange Wanderung, deren Ziel noch immer in schwarzem Nebel verborgen blieb. Doch die Zauberin spürte, dass sie ihm immer näher kam. Gerade, als sich das Gefühl, dass ihr noch Großes bevorstünde, verflüchtigte und Rhavîns Antlitz vor Auriels innerem Auge aufflammte, gellte plötzlich ein lauter Schrei durch die Nacht. Die Hexerin wurde aus dem Schlaf gerissen, sie schreckte auf.
Verwirrt blickte sich Auriel um. Sie sah nichts vor sich außer der Dunkelheit der Nacht. Selbst die Glut des Feuers war vollkommen erloschen. Durch die Luftschlitze unterhalb der Decke des Hauses drang so gut wie kein Licht in den Raum ein. Der wolkenverhangene Himmel ließ kein Sternenlicht zum Boden dringen.
Auriel konnte sich gleich erinnern, wo sie war, doch ihr Kopf dröhnte und ihre Gedanken kreisten zwischen Realität und Traum.
„Rhavîn?“, murmelte sie verschlafen. Orientierungslos tastete sie den Boden ab, um ihre Waffen zu finden. Da sie keine Antwort erhielt, streifte sie die fremden Kleider ab. Schnell zog sie ihre Eigenen über. Dann ergriff sie lautlos ihre Waffen.
„Rhavîn?“ Auriel fauchte verärgert. „Wo ist er denn?“ Während sie ihre Basiliskenzunge in der Dolchscheide an ihrem Gürtel verschwinden ließ, hielt sie den Greif locker in den Händen.
Inzwischen hatten sich ihre Augen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie eindeutig erkennen konnte, dass sie allein in der Thing-Halle war. Von Rhavîn war nichts zu sehen, weder seine Waffen noch seine Kleider befanden sich noch in der Halle.
Auf leisen Sohlen schlich die Zauberin aus dem Raum hinaus, folgte dem schmalen Flur und warf in jeden der seitlich durch Vorhänge abgetrennten Räume einen vorsichtigen Blick. In diesem Augenblick schlug ihr das Herz bis zum Hals. Sie vermutete in jedem Winkel des Gebäudes Gefahr – zu sehr misstraute sie der Situation, die sie und Rhavîn am vorigen Abend in Skogrigg vorgefunden hatten.
Rhavîn. Die Zauberin wunderte sich. Wo mag er bloß stecken? Es wird ihm doch nichts geschehen sein ... Sorge und Angst keimten in ihrem Herzen auf, manifestierten sich als pochender Schmerz in ihrer Brust. Wieso nur empfinde ich auf diese Weise? , fragte sie sich und schob einen weiteren Vorhang zur
Weitere Kostenlose Bücher