Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
geschehen ist? Sie können doch nicht spurlos verschwunden sein!“ Zaghaft lächelte sie den Dunkelelfen an. Ihr Augenaufschlag war herzzerreißend. „Ihr ... Ihr habt doch wohl hoffentlich nichts damit zu tun?“ Entsetzen schwamm in ihren Augen.
„Ich verlange zu wissen, woher diese Schreie gekommen sind. Sagt es uns!“, forderte Rhavîn ruppig. „Ich will es wissen. Sprecht, wenn Ihr etwas wisst!“
„Nein, es tut mir leid, Herr.“ Revelyas Gesicht nahm einen verzweifelten Ausdruck an. „Ich habe nichts gehört. Keine Schreie ... nur den Regen und den Wind.“
„Wir nehmen sie mit!“ Die Worte des Dunkelelfen waren schroff und empfindungslos. Ohne ein weiteres Wort steckte er das Schwert weg, griff nach dem rechten Arm der jungen Frau und zerrte sie auf die Füße.
„Wohin bringt Ihr mich denn?“ Die Frau wand sich, versuchte, sich zu befreien. Doch ihr Handgelenk wurde von Rhavîn fest umschlossen, eine Flucht war unmöglich. „Hilfe! Lasst mich gehen, bitte! Hilfe!“
„Seid still, sonst töten wir Euch auf der Stelle!“, befahl Auriel. Sie folgte Rhavîn und Revelya. Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte sie, ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen der blonden Frau zu erkennen. Doch dann tat sie diesen Eindruck als Täuschung ab, da er ihr doch sehr abwegig vorkam.
Die beiden brachten ihre Gefangene zu dem Langhaus, in dem sie den ersten Teil der Nacht verbracht hatten. Dort erklärten sie ihr, dass sie bis zum Sonnenaufgang bei ihnen bleiben müsse.
„Wenn die Sonne aufgegangen ist, werde ich entscheiden, was mit Euch geschieht.“ Rhavîn klang gönnerhaft. Der Sícyr´Glýnħ warf der blonden Frau einige trockene Kleider zu. „Zieht das hier an.“
„Danke.“ Ihre Nase lief, in ihren geröteten Augen glänzten Furcht und Scham. Revelya drehte sich weg, wechselte im Schutz der Dunkelheit ihre Kleidung.
Rhavîn wartete ungeduldig, bis sie fertig war. Dann hieß er Revelya, sich dicht vor eine hölzerne Säule zu setzen, die mitten im Raum aufragte.
„Was habt Ihr vor?“ Tränen glitzerten in Revelyas Augen.
Rhavîn gab ihr mit einer einfachen Handbewegung zu verstehen, dass sie seinen Anweisungen folgen sollte. Als Revelya fröstelnd vor der Säule kauerte, zog der Dunkelelf einen Strick hervor.
Er neigte sich zu ihr herab. Ein finsteres Lächeln lag auf dem Gesicht des Meuchelmörders.
„Nein!“
Rhavîn zwang Revelya, sitzen zu bleiben. Mit wenigen Handgriffen fesselte er sie an die Säule.
In der Zwischenzeit wechselte auch Auriel erneut die Kleidung. Abermals legte sie die durchweichten Stoffe an die Feuerstelle. Mithilfe eines Zaubers erschuf sie ein magisches Feuer, welches die ganze Nacht hindurch brennen würde. Die Flammen leuchteten in allen Farben, von Grün über Violett bis hin zu Schwarz und Blau. Immer wieder zuckten einzelne Funken und Flämmchen in die Höhe. Sie malten kleine Wesen, zeichneten Szenen, spielten miteinander. So tänzelten kleine Einhörner durch die Luft, dicht gefolgt von den leuchtenden Abbildern wabernder Dämonen, die allesamt bis zur Decke aufstiegen, um sich dort in Rauch aufzulösen.
„Das Feuer wird bis zum Sonnenaufgang brennen“, erklärte Auriel. Gähnend legte sie sich neben dem Feuer auf den Boden. „Möchtest du dich nicht auch umziehen?“ Auriel schenkte dem Dunkelelfen ein Lächeln. Sie wünschte sich sehnlich, Rhavîns kunstvoll tätowierten Oberkörper, seine weiße Haut noch einmal sehen zu dürfen.
„Nein.“ Rhavîn blickte misstrauisch zu Revelya. Dann sah er zu Auriel zurück, seine Miene wurde weicher. „Versuche zu schlafen, Auriel.“
Die Hexerin nickte. „Gute Nacht, Rhavîn.“
„Schlaf gut“, gab der Dunkelelf zurück. Dann wandte er sich an Revelya, die in unbequemer Haltung an der Säule kauerte. „Wenn Ihr in dieser Nacht auch nur den leisesten Laut von Euch gebt oder uns auf sonst eine Art stört, die mir unangenehm ist, schlage ich Euch den Kopf ab!“
Revelya nickte eingeschüchtert und probierte, sich bequemer hinzusetzen. Rhavîn legte sich in Auriels Nähe auf den Boden. Die bunten Flammen zuckten in skurrilen Formen über sein blasses Gesicht.
Kentaro und Nymion standen noch immer im vorderen Teil des Langhauses. Dort hatten sie Platz genug, um sich auszuruhen.
Auriel erwachte durch einen sanften Lufthauch. Gleich darauf hörte sie ein leises Knacken. In Erwartung drohender Gefahr versuchte sie, ruhig weiterzuatmen und sich schlafend zu stellen. In der Hoffnung, dass
Weitere Kostenlose Bücher