Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
Zauberkraft und verborgene Mächte in sich vereinte, hatte sie schon bei der ersten Berührung spüren können. Wie sie sich diese Kräfte nutzbar machen konnte, wollte sie nun herausfinden.
Rhavîn verließ den Versammlungsraum mit einem guten Gefühl. Er spürte, dass Auriel auf seiner Seite war und wusste, dass sie ihre schmerzlichen Gefühle mehr und mehr ablegen würde, solange sie bei ihm bleiben würde.
„Und wenn sie die Magie dieses Priesterstabes wirklich zu entschlüsseln und für sich zu nutzen weiß, dann kann das für mich nur Gutes bedeuten!“, triumphierte er. „Ich wusste doch, dass ich diese Hexerin noch für meine Zwecke gebrauchen kann.“
Auf der einen Seite ist sie ein Kind der Náiréagh, ein junges, dummes Mädchen mit wenig Erfahrung und der Wankelmütigkeit einer alten Frau, ärgerte sich der Dunkelelf. Andererseits ist sie eine wunderschöne Hexerin voller Zauberkraft und einer besonderen Anmut, die mich an das Spiel eines Blattes im Wind erinnert. Sie trägt ein schwarzes Herz in ihrer Brust. In ihrer Seele tobt ein ewiger Kampf ihrer Menschlichkeit gegen die gefühllose Grausamkeit der schwarzen Magie. Rhavîn fuhr mit der Zunge langsam über seine Zähne.
„Ich werde ihr helfen, die letzten Funken des Menschseins zu töten! Jedes Mitleid soll zerfließen wie Fett im Feuer. Trauer und Wehmut in ihrem Herzen müssen zu Hass werden!“ Der Sícyr´Glýnħ ballte die Fäuste.
Habe nicht ich selbst einst eine ähnliche Wandlung durchgemacht? Szenen seiner Kindheit zuckten durch Rhavîns Gedanken. Er erinnerte sich an die ersten Tage in der Obhut des Fürsten – schmerzliche Stunden hatte sein junger Geist damals ertragen müssen.
‘Tod und Leben, Niederlage und Triumph, Versagen und Können liegen dichter beieinander, als man oft glauben mag’, hatte Lhagaîlan daé Yazyðor ihm in seiner ersten Ansprache damals mitgeteilt. ‘Und der Schlüssel zu den Toren liegt in dir, Rhavîn. Du wirst dich entscheiden, welchen Weg du gehen willst. Den neuen Weg an meiner Seite, mir dienend und nach meiner Zuwendung heischend. Ein Weg voller Entbehrungen und ohne ausgeprägten eigenen Willen, dafür aber voller Macht und Vergünstigungen. Oder aber den Weg, der gegen mich arbeitet und sich mir und meinen Befehlen widersetzt. Das ist der Weg voller Starrsinn und Egoismus. Nun ... dieser endet unweigerlich mit deinem Tod!’ , erinnerte sich der Meuchelmörder. Ich habe mich damals für den richtigen, für den einzig wahren Weg entschieden.
Die Erinnerungen versetzten seinem Herzen einen Stich. Doch war der Dunkelelf überzeugt, dass vorrangig seine Erlebnisse damals ihn zu dem gemacht hatten, was er heute war – ein mächtiger Meuchelmörder und engster Vertrauter des Fürsten. Musste nicht auch ich erst die Dämonen der Gefühle besiegen, bevor ich lernte, dass Kälte und Gefühllosigkeit der einzig rechte Pfad sind?
„Ich, Rhavîn Khervas, werde ihr Mentor werden. Ich werde sie auf den finsteren Weg des Seins führen, auf den Pfad der dunkelsten Wesen Thargannions. Ich werde ihr eine Welt zeigen, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht ausmalen kann.“
Gemächlich sammelte Rhavîn etwas Feuerholz zusammen und trug es in die Thing-Halle, um dort, mitten im Raum, ein loderndes Feuer zu entzünden. Den Topf, den er fand, hängte er an einem Dreibein über die Flammen und füllte ihn mit schaumig goldrotem Met. Der Honigwein erwärmte sich und verbreitete seinen süßlichmilden Duft im gesamten Haus, wie das Feuer seine wohltuende Wärme.
In einem weiteren Kessel setzte der Dunkelelf schwarzen Reis auf – eine traditionelle Speise, die er aus Crâdègh nyr Vilothyl mitgebracht hatte. Die schwarz glänzenden Körner verströmten einen herbsalzigen Geruch. Rhavîn freute sich auf das Mahl. Schwarzer Reis war eine vorzügliche Beilage zu Insekten, wie er fand.
Und eine weitere Spezialität wartete darauf, dass Rhavîn sie zu sich nahm.
„Das ist violetter Schierling“, erläuterte der Sícyr´Glýnħ und zog ein Kristalltöpfchen hervor. Es enthielt einen lilafarbenen Sud, in dem schwarze Schlieren trieben.
„Wozu braucht man es?“, wollte Auriel neugierig wissen. Als Rhavîn das Gefäß für einen Moment öffnete, um genüsslich an dem Gebräu zu riechen, strömte der Hexerin ein süßlicher Duft entgegen. Sie schnupperte interessiert.
„Er lässt den Abend schöner werden.“ Rhavîn zwinkerte der jungen Frau verwegen zu. „Wenn der Abend kalt ist und dunkle Erinnerungen
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