Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
zwischen Umhang und Armen verborgen in der Hand zu halten.
„Ich musste in den vergangenen Tagen beobachten, wie sich Rhavîn von einem exzellenten Ni´kyrtaz, einem selbstbewussten, kaltherzigen und grausamen Sícyr´Glýnħ in einen lächelnden, mit beschützerischen Instinkten ausgestatteten Weichling verwandelt. Er, der all die Jahre seines bisherigen Lebens nichts kannte, als die Weisungen seines Fürsten, der seinem Herrn in Treue und Untergebenheit zu Diensten war, verspürt nun warmherzige Gefühle für eine Frau der Náiréagh!“ Schwarzer Schleim schäumte aus Nymions Nüstern. Seine Stimme hallte zwischen den Felsen wider. „Dein übler Einfluss lässt ihn diese Treue vergessen. Alle Schwüre versinken zu seinen Füßen in der Erde. Einzig du scheinst ihm noch wichtig zu sein. Rhavîns Gedanken sind erfüllt von dem Bestreben, dich zu beschützen!“ Zorn sprühte aus Nymions Augen. Rasend musterte er Auriels beleidigte Miene. „Ich kann nicht zulassen, dass der höchste Vertraute Fürst Lhagaîlan daé Yazyðors, der zudem mein bester Freund ist, sich in dieser Weise wandelt. Liebe und Zuneigung sind verachtete Gefühle in unserer Kultur, nahezu unbekannte Reaktionen des Körpers, wie sie eigentlich nur in den schwachen und törichten Menschen aufsteigen können.“
„Und?“ Auriels Lippen bebten. Sie konnte sich nur noch schwer beherrschen. Die Hexerin wusste, dass sie sich gewandelt hatte und ahnte, dass diese Wandlung sie nun nicht nur empfindsamer, sondern auch verletzlicher machte. Nymion nutzte diese neue Seite an ihr schamlos aus.
„Es ist eine Schande für einen Sícyr´Glýnħ, sich derlei Emotionen hinzugeben!“, dröhnte das Einhorn. „Ich habe mit Rhavîn überlegt, dass die einzige Möglichkeit, seinen Geist zu erretten ist, dich aus seiner Gesellschaft zu entfernen. Ich darf nicht zulassen, dass deine Anwesenheit die Erfüllung seines Auftrags gefährdet. Daher haben wir beschlossen, dich noch an diesem Morgen zu verbannen. Du wirst nicht mit uns weiterziehen!“
„Rhavîn!“ Auriels Stimme klang erstickt. Verzweifelt fuhr sie herum.
Tatsächlich blickte der Dunkelelf zu ihr herüber. Er sah Auriel durch einige Haarsträhnen hindurch mit bitterer Miene an. Seine dunklen Augen zeugten von Schwermut und Bekümmernis. Er schwieg.
„Rhavîn, ich muss diese Entscheidung aus deinem Mund hören. Vorher werde ich nicht gehen. Sag du mir, dass du möchtest, dass ich dich verlasse, und ich werde mich auf der Stelle umdrehen. Ist es dein wahrer Wunsch, wirst du mich niemals wiedersehen.“ Auriel schluckte hörbar, doch war sie fest entschlossen, sich von dem Einhorn nicht vertreiben zu lassen. „Ein Wort von dir und ich werde gehen ...“ Ihre letzten Worte waren kaum mehr als ein Hauch. Tränen glitzerten in ihren Augen.
„Auriel, ich ...“ Rhavîn stand auf. Er ging einige Schritte in Richtung der Hexerin, bis ein zorniger Blick Nymions ihm Einhalt gewährte.
„Rhavîn!“, donnerte Nymion in einem Tonfall, der beiden das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Wir hatten uns geeinigt. Denke bitte daran, dass alles, was du jetzt fühlst, nur eine Verwirrung deines Geistes ist. Eine zeitweilige Irritation, hervorgerufen durch die Anwesenheit einer Náiréagh! Lass dich nicht von ihr blenden! Sie meint es nicht gut mit dir. Sie wird deinen Auftrag gefährden.“ Nymion wandte sich wieder zu Auriel, er sah sie boshaft an. „Rhavîn, erinnere dich daran, dass Náiréagh es waren, die dir zeigten, was Zuneigung und Liebe ist. Hat sich dein Leben damals im Kerker, als du von der Liebe der Menschen hörtest und dieselbe von deinem Vater einfordertest, nicht genügend gewandelt? War die Verletzung nicht schmerzhaft genug für dich? Rhavîn, ich bitte dich! Wie viele dieser demütigenden Schläge kannst du verkraften?“
„Nymion ...“ Ein Schatten legte sich über Rhavîns Gesicht. Seine von schwarzen Tätowierungen umrahmten Augen blitzten zornig. Seine Atmung ging schnell, sein Pulsschlag flatterte.
„Muss ich dir erst mein Horn ins Herz stoßen, bevor du begreifst, wie wichtig die Entscheidung ist, die wir vorhin getroffen haben?“ Nymions Stimme wurde eindringlicher. „Bist du wirklich bereit, den Zorn Lhagaîlan daé Yazyðors auf dich zu ziehen? Wegen einer Menschenfrau? Sei dir gewiss, dein Fürst wird dich bluten lassen. Ich vermag nicht einzuschätzen, ob er dir verzeihen wird. Du spielst mit deinem Leben. Und mit deiner Ehre als Sícyr´Glýnħ!“
„Nymion, aber
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