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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Flamme zu erkennen. Wir Vestalinnen sind nicht mehr und nicht weniger Techniker als Baumeister Silvian, der das Wasser von den Quellen bis in die Colonia leitet. Das Wesen des Wassers ist dem Kanalbauer verschlossen, aber er beherrscht die Materie zum Nutzen des Volkes. Wie wir das Feuer zum Nutzen des Volkes hüten und beherrschen.«
    »Fulcinia, ich fürchte, das geht anderen Priestern ähnlich. Vor allem den Flamines, die den göttlichen Kaisern dienen.«
    »Wohl wahr! Vieles ist nichts als Schauspielerei. Nur wenige erkennen das Wesen eines Gottes.«
    »Du hast es erkannt, glaube ich, denn sonst hättest du nicht behauptet, du seiest noch immer eine Vestalin, nicht wahr?«
    »Ja, ich habe es erkannt, und deshalb diene ich meiner Herrin. Daran wird sich bis an mein Lebensende nichts ändern. Weißt du, ich saß eines Nachts vor dem ewigen Feuer und dachte über meine Zukunft nach. Ohne dass ich etwas dazutat, erfüllte mich die heilige Flamme mit ihrem Licht. Ich kann es dir nicht beschreiben, Rufina, wie es war. Doch danach war ich verwandelt. So, wie das Feuer alle Materie verwandelt, das Flüchtige zu grauer Asche brennt und die reine Substanz geläutert übrig lässt. Mir erschloss sich der Sinn der Hymnen und der heiligen Worte, und meine Stimme wurde zum Donnerhall. Ich spüre seither die Macht des Feuers in mir, heiß, strahlend hell - und vernichtend.« Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Nach jener Nacht hatte ich eine weiße Strähne in meinem Haar. Ich nahm es als Zeichen.«
    »Es sieht außerordentlich attraktiv aus, Fulcinia. Aber man könnte annehmen, du wärst gerade deshalb nach dieser Erkenntnis im Tempel geblieben.«
    »Das Leben dort hätte die Flamme erstickt. Oder in die falschen Bahnen geleitet. Sie wollten mich behalten, denn meine Carmen ließen die Menschen in Tränen ausbrechen, und wenn ich die Flamme entfachte, erhob sie sich brüllend wie ein feuerspeiender Drache. Ich war wirksam, um das Publikum anzulocken und ihm Spenden aus der Tasche zu ziehen.«
    »Ich verstehe. Du wolltest deine Gabe nicht zum Erhaschen billiger Effekte einsetzen.«
    »Richtig. Ich verzichte lieber darauf. Ich kann die Macht einsetzen, Rufina, aber ich tue es nicht.«
    »Aber ich habe dich schon als Priesterin erlebt, und das hat mich tief beeindruckt. So wie Erla auch und Crassus, denke ich.«
    »Taschenspielertricks, die jede Priesterin beherrscht. Mehr oder weniger. Nein, Rufina, ich habe es nur ein einziges Mal für mich selbst eingesetzt. Ich habe die heilige Flamme in mich gerufen, als der Pontifex maximus mich überreden wollte, im Tempel zu bleiben. Er verzichtete anschließend darauf.«
    Rufinas unheiliger Sinn für das Lächerliche brach durch, und sie kicherte: »Ich nehme an, er ist mit angesengter Toga davongestürzt.«
    Fulcinia bemerkte trocken: »Sie qualmte noch, als er das Kapitol erreichte. Er war der Feuerschale zu nahe gekommen.«
    »Ah ja!« Rufina kostete einen Augenblick das Bild aus und stellte dann fest: »Du hast dich also in das bürgerliche Dasein begeben, um deiner Herrin auf deine Weise zu dienen?«
    »So ist es. Und ich muss sagen, Rufina, ich bin glücklich damit. Ich bin glücklich, die Macht zu haben und sie nicht einsetzen zu müssen. Das Leben unter normalen Menschen ist so aufregend. Es ist sehr nett von dir und Maurus, mich daran teilhaben zu lassen. Ich denke, ich bin manchmal eine rechte Last, gerade für dich. Ich verstehe nichts von Geld, vom Handeln, von der Art, wie man sich anzieht, schminkt und frisiert. Vor allem bin ich ungeschickt im gesellschaftlichen Umgang. Ich habe immer Angst, die Menschen, die mir begegnen, zu verschrecken. Es ist furchtbar, Rufina. Wenn mich jemand ärgert, kann ich sehr heftig werden. Und dann habe ich auch keine Kontrolle über die Flamme mehr.«
    »Deshalb machst du dich zur kleinen, grauen Maus. Grundgütige Minerva! Und ich dachte, du seiest schüchtern.«
    »Nein, das bin ich eigentlich nicht«, meinte Fulcinia nachdenklich. »Nein, nicht wirklich.«
    Von haltlosem Gelächter geschüttelt, rutschte Rufina beinahe von der Bettstatt.
    Fulcinia jedoch blieb gelassen, und mit tiefem Ernst sagte sie, als Rufina sich wieder gefangen hatte: »Ich glaube, du lachst mich nicht aus.«
    »Nein, Fulcinia. Ganz bestimmt nicht. Ich lache über das Absurde im Leben.«
    »Ja, das siehst du häufiger als ich. Das werde ich noch lernen. Ich habe im Übrigen den Verdacht, Rufina, auch du gebietest über eine innere Flamme. Ich verrate dir kein

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