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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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den beiden Soldaten gewandt, meinte er: »Nehmt ihn mit. Mein Weib hat ihn schon ordentlich für euch verschnürt.«
    Sehr vorsichtig, um nicht in das glitschige Salböl zu treten, kamen die beiden Männer näher. Sie packten Meles bei den Füßen und zogen ihn durch den Gang.
    »Wird im Kerker die Atmosphäre verbessern, so wie der nach kostbarem Öl duftet«, bemerkte der eine. Der andere fügte mit einem bewundernden Blick auf Rufina hinzu: »Du hast nicht nur ein mutiges, sondern auch ein schönes Weib, Fulcinius Maurus. Man kann dich nur beneiden.«
    Erst jetzt schien Maurus den Aufzug wahrzunehmen, in dem Rufina vor ihm stand. Es war ein sehr kurzes Hemd, das sie trug, und es klebte eng an ihrem Körper, nass von Wein. Er verstellte den Legionären unverzüglich die Sicht und fuhr sie an: »Macht, dass ihr rauskommt!«
    »Nichts für ungut, Dominus!«
    Dann waren sie alleine, und Rufina begann trotz der lauen Nacht zu frösteln.
    »Bleibst du hier, Maurus?«
    »Nein, Rufina. Ich muss zurück zu Claudus. Wir haben viel zu tun. Ich werde die Nacht bei ihm bleiben. Aber möglicherweise musst du morgen dazukommen, um deine Aussage zu machen. Dann bring bitte die Statue mit.«
    »Ach ja, den Mercurius. Natürlich.«
    »Reinige ihn, wenn du kannst.«
    »Mache ich.«
    »Und nun bringe ich dich zum Haus hinüber.«
    Er blieb dicht an ihrer Seite, als sie durch den Innenhof gingen, und als sie vor der Tür standen, streichelte er noch einmal über ihre Wange.
    »Füchschen, ich verspreche dir, deinem Glück nie im Weg zu stehen.«
    »Aber Maurus...«
    »Du brauchst mir nichts zu erklären. Geh hinein, du frierst.«
    »Gute Nacht, Maurus.«
    »Es wird eine gute Nacht!«, sagte er plötzlich grimmig.

30. Kapitel
    Das Tribunal
    Er wenigstens hat die verdiente Strafe erlitten -
macht euch darüber keine Sorgen!
    OVID, METAMORPHOSEN
     
    Sie legte den klebrigen, feuchten Kittel ab und suchte sich aus ihrer Truhe eine wollene Tunika heraus, die sie gewöhnlich des Winters trug. Dann setzte sie sich auf die Bettkante und blies das Licht aus. Aber es war die Dunkelheit, in der mit einem Mal die Angst wieder hochkam, die sie ausgestanden hatte. Mit klappernden Zähnen schlich sie aus ihrem Zimmer und klopfte leise an Fulcinias Tür.
    »Komm herein, Rufina!«, antwortete es leise.
    Fulcinia saß aufrecht in ihrem Bett.
    »Ich dachte mir schon, dass du noch einmal zu mir kommst. Setz dich neben mich.«
    Rufina nahm auf der Liege Platz, und Fulcinia breitete die Decke über sie.
    »Was ist passiert?«
    Mit einem langen, zitternden Atemzug lehnte sich Rufina an das Rückenpolster und fing an zu erzählen. Von Maurus, der in eine Schlägerei geraten war, von Halvor und seinem unbeherrschten Zorn, von dem engen, finsteren Kanal, durch den sie gekrochen war, von ihrer panischen Angst in der dunklen Therme, der Flucht und der Art, wie sie Meles schließlich überwältigt hatte.
    Fulcinia enthielt sich jeden Kommentars, und Rufina war ihr dankbar dafür. Sie hatte alles gesagt, was zu sagen war, weder Ausrufe des Entsetzens noch mitfühlende Bemerkungen würden etwas ändern. Sie hatte beängstigende Dinge durchgemacht, und sie hatte gehandelt, wie sie hatte handeln müssen. Nicht aus Tapferkeit, sondern aus Notwendigkeit. Es war angenehm, jetzt schweigen zu können und zu wissen, eine Freundin an ihrer Seite teilte das Erlebte mit ihr. Doch schlafen mochte sie noch nicht, und in der vertrauensvollen Stimmung, die zwischen ihnen beiden jetzt herrschte, erlaubte sich Rufina die Frage, die sie schon lange bewegte, die sie aber nie zu stellen gewagt hatte.
    »Fulcinia, warum hast du den Tempel verlassen?«
    Leises, melodisches Lachen war die Antwort. Dann hörte sie die Vestalis maxima mit ihrer tiefen, sanften Stimme antworten: »Weil die heilige Flamme mir dazu geraten hat.«
    »Die Vesta selbst?«
    »Die Göttin selbst. Zumindest sehe ich das so. Ich will es dir erklären, Rufina, denn ich glaube, du verstehst es. Du bist seltsam weise für deine Jugend und wirst mich nicht als Verrückte abtun.« Sie hielt einen Moment inne, um die richtigen Worte zu suchen. Dann fuhr sie fort: »Wir werden als Kinder in den Dienst gerufen. Wir lernen alles, was mit dem Kult des Herdfeuers zusammenhängt, alle Sagen und Geschichten, alle Hymnen und Gesänge, alle kultischen Handlungen und die Hilfsmittel, die man benötigt, um den Göttern zu dienen und die Menschen zu beeindrucken. Was uns jedoch niemand lehrte, ist, wirklich das Wesen der heiligen

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