Rheines Gold
wieder an irgendeiner Stelle herum, die ihm verdächtig erschien. Wie nicht anders zu erwarten, fand sie ihn an den Säulen vor den Latrinen. Da gab es einen Schwachpunkt, natürlich. Die dauernde Feuchtigkeit des fließenden Wassers und der warme Dampf aus dem daneben liegenden Schwitzbad setzte dem Putz und dem Mörtel zu. Es gab ein paar Stellen, in denen die Bemalung abblätterte und sich Fugen zwischen den Steinplatten bildeten. Im Januar noch hatten sie Maurer kommen lassen, die alles überarbeitet hatten, aber schon bekam der Gips wieder Risse, und kleine Bröckchen fielen dann und wann auf den Boden. Es hatte keine Bedeutung für die Sicherheit des Gebäudes, denn es handelte sich lediglich um eine Verkleidung des eigentlichen Mauerwerks, aber es sah nachlässig aus. Doch die Reparatur kostete Geld.
»Aurelia Rufina, ich habe schon im vergangenen Monat beanstandet, dass die Säulen vor der Latrine brüchig sind. Du hast sie nicht richten lassen!«
»Ich habe dir im vergangenen Monat erklärt, nicht die Säulen sind brüchig, sondern nur der Verputz ist ein wenig angegriffen. Der Handwerker hatte bisher noch keine Zeit gefunden, diese Kleinigkeit zu beheben.«
»Morsche Säulen, Aurelia Rufina, sind keine Kleinigkeit.«
»Die Therme wird nicht einstürzen, wenn etwas Putz von der Wand fällt.«
»Sie werden einstürzen, wenn die Säulen das Gewölbe nicht mehr tragen.«
Es nützte nichts, dem ehrgeizigen Ädilen zu widersprechen, das wusste Rufina zu gut. Sie schalt sich selbst, nicht eigenhändig mit ein wenig Wandfarbe die Stellen übermalt zu haben. Der junge Mann war kein Baumeister, er hatte von solchen Dingen weder Ahnung noch die Neigung, sich fundierte Kenntnisse anzueignen. Er wollte nur etwas zu beanstanden haben.
»Ich kümmere mich morgen darum!«, sagte sie deshalb ohne weitere Kommentare.
»Tu das, ich werde es nächsten Monat überprüfen. Sollte sich der Zustand nicht verändert haben, wirst du eine Strafe zahlen müssen. Und wenn sich zusätzlich die Klagen über die Qualität des Wassers weiter häufen, Aurelia Rufina, werde ich dafür sorgen, dass dir die Erlaubnis zum Betrieb der Therme entzogen wird.«
»Die Wasserqualität, Ädil, wird nicht von mir beeinflusst, das Wasser stellt der Staat zur Verfügung. Das weißt du ganz genau!«
»Tote Tiere im Warmwasserbecken stellt nicht der Staat zur Verfügung.«
»Ja glaubst du denn, ich hätte den Hasen eigenhändig hineingeworfen? Du hast es doch gestern selbst gesehen, sogar ein Mensch kann durch die Zuleitungen angeschwemmt werden!«
Das allerdings konnte selbst der Ädil nicht leugnen, und mit einer weiteren Ermahnung, für Sauberkeit und Sicherheit der Baulichkeiten zu sorgen, verließ er die Therme.
»Arrogante Schnösel!«, murmelte Rufina vor sich hin, als sie wieder alleine war. Dann betrachtete sie noch einmal die Stelle, an der sich der Putz von der Wand löste. Ja, es war immer dieselbe. Anfang des Jahres hatten sie einen tiefen Spalt dort entdeckt, und Maurus selbst hatte noch einen Mann kommen lassen, der ihn sachkundig gefüllt und neu verputzt hatte. Das war einen Tag nach Maurus’ Verschwinden gewesen, erinnerte sie sich jetzt. Mit einem leichten Gefühl der Erheiterung erinnerte sie sich ebenfalls daran, wie der Duumvir Hirtius Sidonius höchstselbst davor auf Knien herumgekrochen war, um die Reparatur zu prüfen. Er hatte mit seinem dicken Bauch, der über den kurzen Leinenschurz hing, ein äußerst befremdliches Bild geboten. Dass sogar der Bürgermeister selbst die Mängel der Therme in Augenschein nahm, fand sie, milde gesagt, absurd. Aber manche Menschen brauchten derartige Kleinigkeiten, um sich daran aufzubauen. Sie war sich sicher, der Ädil ließ sich von Sidonius’ Bedenken über die Sicherheit der Therme beeinflussen. Den Duumvir wollte sie sich eigentlich nicht verärgern, auch wenn sie ihn nicht sonderlich schätzte. Immerhin war er ihr prominentester Gast, und in seiner Gesellschaft kamen zahlreiche weitere Besucher, die ihre halb geschäftlichen, halb privaten Gespräche zwischen Warm- und Kaltbad und auf den Klinen der Ruheräume führten.
Der Vormittag verlief ungewöhnlich ruhig, nur wenige Frauen hatten sich an diesem Morgen eingefunden, um sich ihrer Körperpflege zu widmen. Camilla Donatia hatte ihre Drohung wahr gemacht und mitsamt ihren Freundinnen das Badehaus gemieden. Rufina ging zusammen mit einer Dienerin verschiedenen Besorgungen auf dem Markt nach, und als sie zurückkehrte,
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