Rheines Gold
sprach sie vor dem Eingang zum Wohnhaus Burrus an, der narbengesichtige Gladiator, der bis zu Beginn des Jahres in der Männerbadezeit im Gymnasium gearbeitet hatte. Er war nicht aufdringlich, nein. Höflich fragte er nach, ob seine Dienste benötigt würden. Nicht ganz so höflich beschied Rufina ihm, sie habe keine Aufgaben für ihn. Er sah sie mit einem traurigen Hundeblick an, der so gar nicht zu seinem von Kämpfen gezeichneten Gesicht passen wollte. Doch einerseits hatte Rufina bei der derzeitigen schlechten Geschäftslage wirklich keine Verwendung für ihn, und andererseits - er war Maurus’ persönlicher Kampflehrer gewesen. Sie wollte nicht ständig durch Burrus an ihren verstorbenen Mann erinnert werden.
Sorgenvoll wandte sie sich ihren sonstigen Tätigkeiten zu und hoffte, die Missstimmung unter den Frauen möge sich in einigen Tagen wieder legen. Aber bis dahin entfielen die Einnahmen.
Belebter wurde hingegen der Nachmittag. Angenehmer allerdings nicht.
Die Colonia wurde, wie alle Städte im römischen Reich, von zwei Bürgermeistern verwaltet, die von den Bürgern der Stadt gewählt wurden. Derzeit waren es die Duumviri Decimus
Hirtius Sidonius und Titus Valerius Corvus. Letzterer besuchte die öffentlichen Thermen nicht. Es hieß, seine Villa sei mit einer prächtigen Badeanlage ausgestattet. Er galt als unnahbarer Mann, der wenig Gefallen an öffentlichen Auftritten hatte. Im Gegensatz zu Sidonius, der zwar ebenfalls ein luxuriöses Haus besaß, es jedoch vorzog, sich häufig in der Öffentlichkeit zu zeigen. Er hatte ein breites Klientel, mit dem er sich ständig umgab. Entfernte Verwandte, Freigelassene und langjährige Freunde der Familie begleiteten ihn auf seinen Gängen durch die Stadt und leisteten ihm mancherlei Dienste. Vor allem aber spendeten sie ihm regelmäßig Beifall, wenn er eine seiner Reden hielt. Alle zwei, drei Tage erschein Sidonius in der Therme, meist zusammen mit zehn oder zwanzig weiteren Männern. Sie entrichteten zwar klaglos das Eintrittsgeld, nahmen auch gerne alle gebotenen Dienstleistungen in Anspruch und zahlten großzügig dafür, aber oft genug kam es vor, dass sich vor allem die jüngeren Frauen bei Rufina über Belästigungen beschwerten.
Sidonius und seine Gefolgschaft trafen in den späteren Mittagsstunden ein, und es schien, als ob sie schon beim Mittagsmahl reichlich schweren Wein genossen hätten. Die Stimmung war ausgelassen, die Unterhaltung laut und von grölendem Gelächter unterbrochen. Nasus, der nachmittags als Bademeister arbeitete, hatte Rufina bereits gewarnt, es könne zu Problemen kommen. Sie war daher aus ihrer Wohnung gekommen, um sich vorsichtig einen Überblick zu verschaffen. Die eigentliche Therme betrat sie während der Männerbadezeit nicht gerne, doch konnte sie von einem kleinen Kabäuschen neben dem Lager vor den Ständen der Händler aus die große Halle überblicken, ohne aufzufallen. Sie nahm in dem winzigen Raum Platz und beobachtete das Geschehen. Zunächst schien es so, als ob die heißen und kühlen Bäder die Männer allmählich wieder ernüchterten, doch als die Sonne langsam sank, und sie die Anweisung gab, die Öllampen zu entzünden, bemerkte Cyprianus, der Weinhändler: »Die scheinen sich heute in Falerner baden zu wollen. Pass nur auf, Aurelia Rufina, dass es keinen Ärger gibt!«
»Sie sind schrecklich, ich weiß, aber wenn ich sie rauswerfe, kann ich die Therme wirklich zumachen. Cyprianus, du hast mir wieder zu viel bezahlt. Ich bringe dir morgen früh das Geld.«
»Betrachte es als Gewinnbeteiligung an meinem Handel. Du siehst doch, wie gut das Geschäft bei mir läuft!«
»Das geht nicht, wir haben...«
Ein protestierendes Kreischen schrillte durch die Säulen, und Bella kam mit aufgelösten Haaren und verrutschter Tunika auf sie zugelaufen.
»Ich weigere mich, dieses Tier auch nur anzufassen! Ich lasse mir so etwas doch nicht gefallen! Patrona, das war der letzte Tag, an dem ich hier arbeite!«
»Beruhige dich, Bella, beruhige dich doch. Was ist passiert?«
»Dieses Schwein von Sidonius ist passiert. Er wollte mich vergewaltigen, vor seinen Leuten, dieses dreckige Ekel. Duumvir hin oder her, besoffen hin oder her, das geht zu weit.«
»Das stimmt allerdings.« Rufina seufzte. »Wir sollten nachmittags nur noch Männer als Masseure beschäftigen. Aber woher soll ich die nehmen?«
»Für die Meute reichen die Heizer aus!«, giftete Bella weiter und versuchte, sich die Haare wieder aufzustecken. »Am
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