Rheines Gold
dich lieber darum, wieder eine gute Masseurin zu bekommen, damit du nicht ständig selbst Hand an deine Besucher legen musst! Und jetzt will ich in das Schwitzbad gehen.«
Sabina Gallina erhob sich und gab ihrem Gefolge, das sich dezent im Hintergrund gehalten hatte, einen Wink. Rufina aber huschte aus der Therme und widmete sich einige Zeit in ihrem Zimmer der eigenen Schönheitspflege. Kaltes Wasser, ein wenig Kosmetik und eine sorgfältig geflochtene Frisur stellten ihre Haltung und ihr Selbstbewusstsein wieder her. Sie ging um die Mittagszeit noch einmal in die Eingangshalle hinunter, um sich von Sabina Gallina zu verabschieden und wurde dabei Zeuge, wie ihr Schwiegervater einen zerlumpten Straßenjungen am Ohr zerrte und ihn beschimpfte.
»Was geht denn hier vor?«
»Dieser Bengel wollte sich hier einschleichen und seinen Schund anpreisen.«
»Meine Pastillen sind kein Schund!«, fauchte der Junge und wand sich unter dem harten Griff.
Rufina betrachtete ihn einen Moment und stellte fest, dass er zwar eine vielfach geflickte Tunika trug und auch die Riemen seiner Sandalen an manchen Stellen durchgescheuert und neu verknotet waren, er aber im Großen und Ganzen einen sauberen Eindruck machte.
»Lass ihn los, Crassus!«
»Was willst du von dem kleinen Gauner? Dieses Gesindel vertreibt doch nur die Gäste!«
»Ich will eine seiner Pastillen probieren. Lass ihn also los!«
Widerstrebend gab Crassus das gerötete Ohr frei, und der Junge machte einen Kniefall vor Rufina.
»Danke, Patrona. Bitte, hier sind die Pastillen. Sie sind aus Honig und Salbei. Meine Mutter macht sie. Sie sind wirklich gut.«
»Steh auf, Junge!«
Sie nahm ein klebriges, bernsteinfarbenes Kügelchen aus dem Beutel, den er ihr offerierte, und roch dran. Dann steckte sie es sich mutig in den Mund.
»Ei, das ist wirklich gut, da hast du Recht. Wie heißt du?«
»Tertius ruft mich meine Mutter.«
»Und du bist ihr dritter Sohn?«
»Ja, Patrona.«
»Crassus, probier auch eine der Pastillen.«
»Ich werd’ mir gewiss nichts aus diesen schmuddeligen Händen in den Mund stecken!«
»Mir scheint, so schmuddelig sind sie gar nicht.«
»Vergnüg du dich mit den Gassenjungen, ich gehe meinen Geschäften nach.«
»Eine wunderbare Idee, Schwiegervater. Ich habe gerade festgestellt, unser Vorrat an Salben und Duftölen geht zu Ende. Fulcinia hat mir gesagt, du wolltest dich darum kümmern.«
Crassus knurrte ungehalten: »Fulcinia ist ein aufdringliches, rechthaberisches Weib!«
»Verzeih, Patrona, aber meine Mutter versteht sich auch auf das Zubereiten von Salben und Ölen. Wenn du...«
»Misch dich nicht ein, Bengel!«
Rufina sah ihren Schwiegervater mit milder Nachsicht an.
»Was regst du dich so auf, Crassus? Wenn das stimmt, ersparst du dir den Gang zu unseren Händlern. Also, Tertius, erzähl mir von deiner Mutter.«
Der Junge sah ein wenig ängstlich zu dem alten Mann hin, der ihn so barsch behandelte und stotterte etwas.
»S...s...sie sammelt Kräuter, P... Patrona. Das h... hat sie von ihrer Mutter gelernt. Seit unser Vater davon ist, muss sie damit ihr Geld verdienen. Ich w... wollte ihr nur helfen, P...Patrona.«
»Crassus, ich möchte mich mit Tertius alleine unterhalten. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du dich wenigstens um das Lampenöl kümmern würdest. Versuche bitte, den Händler auf eine Bezahlung in der nächsten Woche zu vertrösten.«
»Bist schon wieder nicht flüssig, was?«
»Es wird reichen, aber nicht diese Woche!«
Sie drehte ihrem Schwiegervater den Rücken zu und konzentrierte sich auf Tertius, der schwankend zwischen Hoffnung und Verlegenheit von einem Fuß auf den anderen trat.
»Komm mit, mein Junge. Ich habe heute noch keine Zeit gefunden, etwas zu essen, und ein Brot wird auch dir nicht schaden.«
Sie führte den Jungen in die Küche, wo die Köchin eifrig Fleisch klein hackte, um daraus scharf gewürzte Bällchen zu formen.
»Irene, hast du etwas zu essen für uns?«
»Natürlich, hier im Topf ist noch von dem Hühnerfleisch, das wir gestern Abend hatten. Ich habe es mit Oliven und Lauch ziehen lassen. Füllt euch das Brot damit.« Sie wies auf die goldbraunen Fladen hin und widmete sich dann wieder ihrem Fleischermesser.
Rufina machte zwei Brote zurecht und goss auch von dem dünnen Wein, dem Mulsum, etwas in zwei Becher.
»Danke, Patrona. Du bist sehr gütig.«
»Und du sehr hungrig, was?«
»N...na ja...!«
Sie aßen schweigend, dann setzte Rufina ihre Befragung fort und bekam
Weitere Kostenlose Bücher