Rheines Gold
vorgesehen, und das Haus sollte an diesem Tag für die Männer geschlossen bleiben. Zunächst hatte Rufina skeptisch reagiert. Die männlichen Besucher würden nicht besonders erfreut sein, wenn ihnen die Therme nachmittags nicht zur Verfügung stand, aber die Veranstalterin nannte ihr einen so großzügigen Betrag für die Nutzung der Räumlichkeiten, dass sie schließlich einwilligte. Sie selbst brauchte sich nicht um die Gestaltung des Festes zu kümmern, versicherte ihr die Dame, im Gegenteil, sie sei herzlich eingeladen, als geehrter Gast daran teilzunehmen.
Die Blumenfrau hatte reichlich zu tun an jenem zweiten Maitag. Girlanden wanden sich um die Säulen, Vasen mit Frühlingsblumen und jungem Laub standen in den Nischen, Kränze für die Feiernden lagen bereit, gelb-blaue Buketts aus Vergissmeinnicht und Dotterblumen schmückten die Tische, auf denen das Gastmahl serviert werden sollte, und Körbchen mit den traditionellen Bohnen standen bereit. Auch Erla und ihre Kinder waren nicht müßig. Parfüms und zart schmelzende Salben wetteiferten mit dem Duft der Blumen, die köstlichen Pastillen, geformt wie die Bohnen, lagen in kleinen Schälchen aufgehäuft und warteten auf die Naschkatzen, und die älteste Tochter rieb sich die Hände ein, damit sie geschmeidig und doch fest zupacken konnte, wenn ihre Dienste benötigt wurden. Alles in allem verbreitete sich eine festliche Stimmung in der Therme, der sich auch Rufina nicht entziehen konnte. Sie hatte zwar höflich abgelehnt, als Gast an dem Fest teilzunehmen, doch sie legte ihre schönste Stola an, ein jadegrünes Gewand mit zarter, goldener Stickerei, und drapierte eine um einige Schattierungen dunklere Palla darüber. Auch den Goldschmuck holte sie nach langer Besinnung aus seinem Kästchen. Wehmütig schlang sie die Kette um ihren Hals, befestigte das Gewand mit den Fibeln und hing sich die Ohrringe ein. So empfing sie am Morgen die Frauen und Mädchen, zeigte ihnen die Räumlichkeiten und verwies sie an ihre Bediensteten. Nachmittags machte sie einen weiteren Rundgang, um ein Auge darauf zu haben, ob alles zur Zufriedenheit der Gäste gerichtet war. Natürlich wollte sie sich auch vergewissern, ob das Fest nicht zu ausgelassen wurde, doch das schien nicht zu befürchten zu sein. Es herrschte eine heitere, gelöste Stimmung. Drei Musikantinnen spielten mit Lyra, Handtrommel und Flöten zu einem Tanz auf, bei dem sich die Tänzerinnen mit Zimbeln begleiteten. Glockenkettchen an Hand- und Fußgelenken klingelten rhythmisch, wenn sie aufstampften oder die Arme schüttelten.
Rufina beobachtete das farbenfrohe Treiben eine Weile. Einige der Frauen hatte sie schon zuvor gesehen, Sabina Gallina hatte ihr Versprechen wahr gemacht und die Therme ihren Freundinnen weiterempfohlen. Sabina selbst war natürlich ebenfalls anwesend und stellte ihr die Frau des zweiten Bürgermeisters vor. Ulpia Rosina war eine zierliche Schwarzhaarige, die mit ihrer Stieftochter Valeria Gratia gekommen war, einem aparten Mädchen mit einem willensstarken Gesicht. Ulpia Rosina bewunderte die Mosaike aus farbigen Glassteinen und äußerte einige sehr fachkundige Kommentare.
»Du scheinst etwas davon zu verstehen«, meinte Rufina, ein wenig erstaunt, die Bürgermeistergattin über Glasfluss und Schlifftechniken sprechen zu hören.
»Ich betreibe selbst ein wenig das Glaser-Handwerk. Auf unserem Gut bei Waslicia hat mir mein Gatte eine Werkstatt eingerichtet.«
»Früher hat sie sich sogar als Künstlerin bezeichnet«, warf ihre Stieftochter ein. »Meiner Meinung nach ist sie das auch.«
»Ich würde mich noch immer so bezeichnen, wenn nicht eine Barbarin mich Demut gelehrt hätte, Aurelia Rufina!«, antwortete Ulpia Rosina. »Doch seit ich weiß, dass sich eine gallische Fürstin nicht zu schade war, auf unserem Hof nicht nur Ziegel, sondern auch arretinische Keramik zu brennen, betrachte ich mich wie sie nur noch als Handwerkerin.«
Gratia Valeria nickte zustimmend und fügte hinzu: »Oh ja, Annik hat erlesenes Geschirr geschaffen. Doch lass uns von heitereren Dingen sprechen, Rosina, der Tag ist zu schön, um der Vergangenheit nachzuhängen.«
»Meine Tochter hat allen Grund, entzückt in die Zukunft zu schauen. Wir werden im Sommer ihre Hochzeit mit Aurelius Lucius Falco feiern. Ach, könnte er zufällig mit deiner Familie verwandt sein, Aurelia Rufina?«
»Ich habe hier in der Stadt von ihm gehört, er soll ein erfolgreicher Mann in der Legion sein. Doch wenn wir miteinander
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