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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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derartigen Figuren machen, sollte der Zufall sie in deine Hände fallen lassen?«
    »Oh, auch wir haben schöne Frauen, Herr. Und noch schönere Göttinnen. Da gibt es wunderhübsche Figürchen der frühlingsbringenden Flora oder der Fortuna mit ihrem Füllhorn. Zu welcher der Göttinnen ziehst denn du es vor, deine Gebete zu richten, Herr?«
    »Zur Venus, mein Lieber«, sagte der Herr lächelnd, und nachdem einige weitere Münzen die Finger des Goldschmieds gewärmt hatten, kramte er aus seinem geräumigen Gedächtnis die eine oder andere Einzelheit zu den Goldwaren hervor, die er vor sechs Jahren eingeschmolzen und umgearbeitet hatte. Wunder nahm indes den Herrn, dass die Beschreibung des Kunden nicht mit der des von ihm Gesuchten übereinstimmte, wenngleich die Schmuckstücke die nämlichen zu sein schienen, von denen ihm berichtet worden war. Bedauerlicherweise hatte der Goldschmied aber kein besonders gutes Personengedächtnis.
    Immerhin, das Gespräch war ergiebig für beide Seiten, und zu guter Letzt erstand der Herr noch ein Paar zierlicher Ohrringe, die ihm der Goldschmied zu einem echten Vorzugspreis überließ.
    Herr und Diener trafen am Feiertag der Venus wieder zusammen. Die Veneralien wurden in der ganzen Stadt festlich begangen. Geschmückte, singende Frauen badeten die Statue der Göttin, wanden sich Myrtenkränze um die Haare und tranken mit Honig gesüßte Milch. In den Thermen badeten die Frauen gemeinsam mit den Männern, und Venus war bereit, für eine kleine Weihrauchgabe an ihrem Altar einer jeden Frau die ihr eigene Schönheit zu schenken.
    »In deinem Blick liegt Sehnsucht, Herr«, sagte der Diener, als sie durch die Straßen zu ihrem Quartier gingen.
    »In meinem Herzen hat sie ihre Wurzel.«
    Sein Begleiter nickte verstehend.
    »Bald, Herr.«
    »Ja, wir sind weit gekommen, mein Freund. Du wirst übermorgen den Rückweg antreten und die erste Nachricht überbringen. Ich habe einen Bericht geschrieben. Achte auf ihn, damit er nicht in falsche Hände gelangt.«
    »Ich nähe das Pergament in meinen Umhang ein. Das hat sich bewährt. Was hast du geschrieben?«
    »Nun, der Militärtribun und spätere Ädil sind identisch mit dem Mann, über den unser Auftraggeber Informationen haben wollte. Ich kann ihm nicht viel Schlimmeres nachweisen als eine gewisse dümmliche Bestechlichkeit, Prunksucht, eine etwas kindische Vorliebe für Götterstatuen und eine geradezu groteske Inkompetenz in allen Sachfragen. Aber ich will noch etwas weiter unseren zwielichtigen Goldwäscher verfolgen. Die Lesart, die wir bislang gehört haben, ist mir zu glatt.«
    »Nun ja, möglicherweise verließ er vor vier Jahren die Stadt wirklich gramgebeugt, als sein Bruder unerwartet starb. Aber er habe es unter der Aufgabe seines Senatorenstatus getan, finde auch ich ein wenig weit hergeholt.«
    »Ich fürchte nur, die Familie wird sich in keiner anderen Version äußern.«
    »Oh nein. Aber vielleicht könntest du dich an das Klientel halten. Deine Rolle als törichter Freigelassener wäre dabei wieder mal ganz dienlich.«
    Sein Herr setzte einen leicht dämlichen Gesichtsausdruck auf und fragte: »Hä?«
    Der Diener lachte und schlug ihm auf die Schulter.
    »Oder noch besser, beginn mit meinem ehemaligen Herrn, dem Antonius Sextus. Der ist von ihm seinerzeit ruiniert worden. Vermutlich fühlt er sich nicht an irgendwelche Schweigepflichten gebunden.«
    »Das werde ich tun. Und du, mein Freund, wirst diesmal zu Lande reisen.«
    »Warum?«
    »Weil du das Wasser zu fürchten hast.«
     
    In den Abendstunden trennten sie sich, und der Herr betrat auf leisen Sohlen den Tempel der frisch gebadeten Venus. In den Händen trug auch er Myrtenzweige und goldgepuderten ägyptischen Weihrauch. Er war alleine, die Feiernden genossen nun in ihren Häusern die festlichen Mahlzeiten. Lange verweilte er vor dem Altar und betete zu der Herrin der Liebe. Demütig hielt er das Haupt gebeugt, und seine Worte kamen tief aus seinem Herzen. Denn er hatte erkannt, dass ihm, und nur ihm, das Feuer bestimmt war. Die Flamme einer großen Liebe brannte in ihm, und das Feuer der Leidenschaft, die er so lange zu unterdrücken versucht hatte, begann ihn zu verzehren. Sein Geständnis rührte die Göttin zutiefst, und in der schattigen Dämmerung stieg sie von ihrem Podest und streichelte, einem Schmetterlingsflügel gleich, die dunkle Wange des Betenden.
    Als er aufstand, um ihr seine letzte Referenz zu erweisen, lächelte Venus ihm...

15. Kapitel
    Fragen

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