Rheines Gold
über Fragen
Dass sie geraubt worden ist, will ich hinnehmen,
wenn er sie mir nur zurückgibt.
OVID, METAMORPHOSEN
In der Therme wurde das Verschwinden von Sabina Gallina und Rufina erst in den Nachmittagsstunden bemerkt, als ein Bote aus dem Hause des Statthalters die Thermenpächterin zu sprechen wünschte. Er traf auf Paula, die Capsaria, die im Eingangsbereich saß und sich nur daran erinnern konnte, die Frauen hätten um die Mittagszeit in sehr heiterer Stimmung das Bad verlassen. Ob Sabina unter ihnen war, vermochte sie nicht zu sagen. Aber beflissen schickte sie den Laufjungen aus, die Patrona zu holen.
Sie war unauffindbar, und statt ihrer erschien Fulcinia, der man ihre Unruhe jedoch nicht anmerkte. Sie bat den Mann, sich einen Moment zu gedulden und in einem der Sessel Platz zu nehmen. Ein schneller Rundgang bei den Händlern und die Befragung der Aufseher brachte ihr nur die Erkenntnis, beide Frauen seien am Vormittag gesehen worden. Fulcinias Unruhe wuchs. Sie eilte zurück in das Wohnhaus und warf einen Blick in die Räume, die Rufina zu benutzen pflegte. Doch auch hier gab es nur die Spuren ihres morgendlichen Aufbruchs, und weder ihre Dienerin noch die Köchin Irene hatten sie nach dem Morgenmahl gesehen. Crassus hingegen, das wusste sie, war alleine zum Forum gegangen. Fulcinia zog die Palla über den Kopf und atmete tief ein, um die Angst zu bannen, die in ihr aufstieg. Gefasst trat sie dem Boten des Statthalters gegenüber und berichtete ihm, was sie herausgefunden hatte.
»Könnten sie gemeinsam ausgegangen sein? Meine Herrin begibt sich zwar nur in Begleitung ihrer Frauen in die Öffentlichkeit, aber möglicherweise hat die Patrona sie überredet, einen Spaziergang mit ihr zu machen. Die Thermenpächterin hat den Ruf, eine sehr selbstständige Frau zu sein.«
Es schwang ein leiser Vorwurf in seinen Worten mit, und Fulcinia antwortete mit ihrer sanften Stimme erstaunlich kühl: »Aurelia Rufina erledigt sehr selbstständig ihre Geschäfte. Sollte sich deine Herrin in ihrer Gesellschaft befinden, ist sie gut aufgehoben. Ich würde vorschlagen, wir warten noch eine Weile, üblicherweise findet sich Rufina immer dann ein, wenn ihre beiden Kinder von ihren Lektionen zurückkehren.«
»Ich würde es vorziehen, die Räumlichkeiten hier noch einmal zu überprüfen.«
»Es ist die Badezeit der Männer, und ich kann mir schwerlich vorstellen, dass die beiden sich jetzt noch im Bad befinden.«
»So?«
»Deine Meinung über deine Herrin sollte wohl besser nicht zu ihren Ohren gelangen!«
Der Bote zuckte ein wenig zusammen und änderte seinen Tonfall.
»Würdest du mir gestatten, einen kurzen Blick in die Therme zu werfen?«
»Natürlich. Ich erwarte dich hier zurück.«
Fulcinia gab Paula einen Wink, und sie ließ den Mann passieren. Er brauchte nicht lange, schon nach kurzer Zeit kam er zurück, jetzt auch sichtlich beunruhigt.
»Sie ist nicht im Bad, aber im Apodyterium vor dem Salbraum hängen Frauenkleider. Ich weiß zwar nicht, was meine Herrin heute Morgen getragen hat, aber möglicherweise sind es die ihren.«
»Ich kümmere mich darum. Holt eine ihrer Dienerinnen.«
Der Bote verabschiedete sich, und Fulcinia betrat mit scheu über die Stirn gezogener Palla den Umkleideraum. Tatsächlich hing an einem Haken zwischen den Männertuniken eine feine Seidentunika und eine kostbare Stola. Mit Perlen bestickte Sandalen standen auf dem Bord darunter. Sie nahm die Kleidungsstücke an sich und trug sie in den Eingangsbereich. Ihre Gedanken rasten. Rufina nicht auffindbar, Sabina Gallina verschwunden. Unbekleidet, was vollkommen absurd erschien. Niemand hatte die beiden gesehen. Es musste etwas höchst Ungewöhnliches vorgefallen sein, und der Verdacht lag entsetzlich nahe, es könne zumindest die Gattin des Statthalters Opfer einer Entführung geworden sein. Rufina hingegen mochte wirklich noch einen Gang in die Stadt gemacht haben, obwohl es seltsam schien, denn sie hatte niemandem etwas davon gesagt.
Es kehrte nicht der Bote zurück, sondern es erschien der Haushofmeister selbst, im Gefolge die beiden Dienerinnen, die Sabina morgens begleitet hatten. Er stellte sich als Faustillius vor und bat, die Gewänder sehen zu dürfen. Die Dienerinnen schrieen auf, als sie die Stola sahen, und eine von ihnen begann, hysterisch zu schluchzen.
»Man hat ihr ein Leid getan. Unsere Herrin ist in der Therme ermordet worden!«
»Sei still, Marina!«, fuhr Faustillius sie an, scheuchte sie fort und
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