Rheines Gold
seiner Hütte!«
»Und welche ist das?«
»Na, die große da.«
Rufina wollte sich gerade aufraffen, um die letzten Schritte dorthin zu machen, als der Gesuchte selbst aus dem Eingang trat.
»Da isser!«, sagte einer der Arbeiter. Der andere hatte seinen Grips inzwischen weit genug zusammen, um zu rufen: »Baumeister, hier is’n Mädchen oder so. Die sucht dich.«
Lucillius Silvian war augenblicklich beunruhigt. Frauen, und erst recht Mädchen, duldete er auf seiner Baustelle nicht. Er kam mit großen Schritten herbei und blieb dann verblüfft stehen.
»Jupiter fulgur! Aurelia Rufina. Was machst du denn hier?«
»Das ist eine lange Geschichte«, seufzte sie und machte den Versuch aufzustehen. Sie schwankte, und geistesgegenwärtig fing Silvian sie auf.
»Du bist verletzt und vollkommen erschöpft, will mir scheinen.«
»Die Füße!«
»Schon gut, ich bringe dich in meine Hütte. Dann sehen wir weiter.«
Zur ungeteilten Freude seiner Arbeiter trug er sie mit Leichtigkeit zu seiner Behausung, die erstaunlich gemütlich eingerichtet war. Es gab einige Klappstühle, einen Tisch mit den Resten eines Mahls, einen weiteren mit Pergamentrollen und eine Liege mit weichen Decken. Auf dem Boden waren Lederdecken ausgebreitet, mehrflammige Leuchter hingen von den unbehauenen Dachbalken.
Er bettete Rufina auf die Lagerstatt und sah sie dann kopfschüttelnd an.
»Was ist passiert? Ach, vergessen wir das erst einmal. Etwas Wein wird dir gut tun.«
Sie nahm dankbar den Becher an und trank mit kleinen Schlucken.
»Hinter dem Dolmen liegt eine Leiche.«
Sie fand, es sprach für Silvian, höchst sachlich darauf zu reagieren.
»Der Dolmen, der bergan zwischen den Kiefern liegt?«
»Ja, wenn die Nadelbäume dort Kiefern sind. Gibt es noch mehr davon?«
»Natürlich. Was für eine Leiche?«
»Ein Mensch, mehr kann man nicht erkennen. Oder besser, mehr wollte ich nicht erkennen. Es sind nur noch Knochen und etwas Stoff oder Leder.«
»Ich werde mich morgen darum kümmern.«
»Kannst du mir etwas Wasser für meine Füße besorgen?«
»Aber natürlich.« Er betrachtete die zerschlissenen Sandalen und die sich allmählich lösenden Verbände. »Zu meinen nicht unbeträchtlichen Fähigkeiten als Baumeister gehören auch Grundkenntnisse in ärztlicher Versorgung. Es kommen oft genug Verletzungen bei den Arbeitern vor. Willst du dich mir anvertrauen?«
»Sicher.« Ein winziges Lächeln zuckte um Rufinas Mundwinkel. »Lieber dir als den Holzköpfen da draußen.«
»Ja, ich bin die einzige Alternative!«
Er grinste auch, dann rief er ein paar Befehle nach draußen, und bald darauf kam einer der Arbeiter mit einem Eimer Wasser. Während Rufina die Füße darin einweichte, erzählte sie ihm in kurzen Worten, was in den vergangenen vier Tagen geschehen war. Silvian hörte ohne eine Zwischenfrage zu. Erst als sie geendet hatte, bemerkte er: »So hast du Wolfrune getroffen.«
»Du kennst sie?«
»Kennen? Ich bin ihr begegnet. Sie ist eine unheimliche Frau, und die Arbeiter fürchten sie wie eine der Parzen.«
»Sie ist hilfsbereit und gütig. Aber sie lebt alleine, und da mag der Ruf, ein wenig unheimlich zu sein, sich als ganz nützlich erweisen.«
»Wohl wahr.« Er strich ihr Salbe auf die Schrammen und Blasen und verband sie mit sauberen Leinentüchern. »Hast du eine Ahnung, wer euch entführt hat?«
Sie nannte ihm die Namen der Männer und fragte: »Kennst du sie zufällig, Silvian? Du begegnest den Germanen doch häufiger.«
Ein weiterer Arbeiter brachte Essen für sie, und Silvian half ihr, sich an den Tisch zu setzen. Als der Mann gegangen war, bat er: »Beschreib mir die vier genauer.«
Als sie es getan hatte, nickte er.
»Ja, ich weiß, wer sie sind. Ich kenne sogar die Siedlung am Wald. Sie ist eigentlich gar nicht so weit von hier entfernt. Wenn man den richtigen Weg kennt. Aber vermutlich haben sie euch über verborgene Pfade dorthin gebracht, damit sie nicht verfolgt werden konnten.« Er sah nachdenklich zur Türöffnung hinaus. »Es sind im Grunde ganz anständige Menschen. Sie bauen ihr Getreide an, halten ein wenig Vieh und handeln mit den verschiedensten Gebrauchsgütern. Wir kaufen ihnen manches an Werkzeug und Lebensmitteln ab, und ihre Frauen ziehen einmal in der Woche nach Belgica vicus auf die Märkte. An der Römerstraße lohnt sich offensichtlich das Geschäft.
»Und in der Colonia?«
»Auch gelegentlich.«
»Gehören sie zu Halvors Sippe?«
»Ich weiß es nicht.«
»Können wir zu ihnen
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