Rheines Gold
Gratia vor. »Ein echter Schlingel! Ich hörte, du hast ein schreckliches Abenteuer erlebt, Aurelia Rufina. Es freut mich, dich wohlbehalten wiederzusehen.«
Rufina nickte, sah aber keinen Anlass, mehr über die letzten Tage zu sagen, und Valeria Gratia war so feinfühlig, nicht weiter zu fragen. Sie schwatzten eine Weile über das Angebot auf dem Markt und trennten sich dann, um ihre unterschiedlichen Wege fortzusetzen.
»Ich brauche noch ein paar Bänder für meine Haare«, stellte Rufina fest. »Ich habe unterwegs fast alle verloren.«
»Eins haben wir gefunden, Mama. An dem Tag, als du verschwunden bist. Es lag vor Erlas Laden!«
»Ja, und darum haben wir gedacht, du spielst nur Verstecken mit uns!«
»Richtig. Und dann hat der Meles auch noch den Dolch im Ruheraum gefunden.«
»Hast du das Band extra verloren?«
»Nein, Crispus. Das muss sich gelöst haben, als sie uns fortgeschleppt haben.«
Rufina lenkte ihre Schritte zu einer Händlerin, die bunte Woll-, Leinen- und sogar Seidenbänder anbot. Seide war allerdings unerschwinglich, auch wenn sie einen kleinen Moment in Versuchung war. Die mit feinen Goldfäden zusammengedrehten Schnüre würden sogar aus ihren kurzen Haaren eine vornehme Frisur machen. Dann nahm sie doch die einfachen braunen Bänder, die sie gewöhnlich verwendete. Fulcinia aber überredete sie schließlich, auch noch einige in lichtem Grün zu wählen, die zu ihrem Schleier passten.
»Gehen wir zum Hafen hinunter?«, bat Crispus, nachdem die Geschäfte, die der weiblichen Eitelkeit dienten, abgeschlossen waren.
»Nein, heute nicht. Ich denke, wir machen uns auf den Heimweg.«
»Schade...«
Sie tätigten noch einige notwendige Einkäufe für den Haushalt und verließen das Forum. Während des Rückwegs begannen Rufinas Gedanken Kapriolen zu schlagen. Nach einem besonders gewagten Überschlag fragte sie plötzlich: »Fulcinia, hat Meles den Dolch wirklich im Ruheraum gefunden?«
»Ich wartete auf ihn, als er mit Faustillius die Therme durchsuchte. Es muss wohl so sein.«
»Daraus habt ihr geschlossen, wir seien dort überwältigt worden?«
»Warum nicht? Es standen ja zu dieser Zeit auch zwei Körbe vor dem Holzlager. Man hätte euch ungesehen durch den Seitengang und das Lager hinausschaffen können.«
»Aber das Haarband lag vor Erlas Laden.«
»Du könntest es auch schon an einem anderen Tag dort verloren haben.«
»Könnte ich. Aber mir fehlte eines, als ich wieder zu mir kam. Seltsam, Fulcinia, wir waren im Salbraum, Sabina und ich. Und der liegt neben Erlas Stand. Warum sollte uns jemand quer durch die ganze Therme schleppen, um uns vor dem Holzlager in die Körbe zu stecken?«
»Im Salbraum?«
»Ja, wir waren ganz alleine, die anderen hatten schon ihr Bad genommen, aber Sabina Gallina bestand darauf, vorher noch von mir massiert zu werden, weil Erlas Tochter an jenem Tag krank war.«
Fulcinia sah Rufina irritiert an. Dann meinte sie: »Na gut, wir haben eben nur Schlussfolgerungen gezogen. Falsche zwar, aber dennoch waren es nun mal Germanen, die euch entführt haben.«
»Ich frage mich nur, wie sie unbemerkt in den Salbraum kommen konnten.«
»Durch Erlas Laden vielleicht?«
»Das würde zumindest auf eine Mitwisserin hindeuten.«
»Nicht unbedingt. Sie war nämlich im Ruheraum und hat ihre Waren präsentiert.«
»Und hat gefällig die Tür zur Straße hin aufgelassen...?«
Die beiden Frauen sahen sich nachdenklich an. Die Stände, die sie verpachtet hatten, waren alle von der Straße aus zugänglich, damit die Händler nicht durch die Räume des Bades gehen mussten, wenn sie ihre Waren entluden.
»Recht wahrscheinlich, Rufina. Erlas Laden liegt günstig, weil man ihn von den anderen Ständen aus nicht einsehen kann. Aber die Körbe... Angeblich hat einer der Heizer sie gesehen, sich aber nichts dabei gedacht, weil am Morgen Holz geliefert worden war.«
»Wir werden mit Erla wohl noch mal ein Wörtchen zu reden haben. Wenn sie mit in dieses Komplott verwickelt war, dann muss sie zur Verantwortung gezogen werden.«
»Ich werde mit ihr reden. Und mit dem Heizer ebenfalls.«
Rufina war einverstanden. Fulcinia würde auf das Haupt der Salbenhändlerin den Zorn der flammenden Göttin herabbeschwören. Welche Macht sie über die Menschen hatte, wenn sie in die Rolle der Priesterin schlüpfte, wusste sie selbst nur zu gut. Die Heizer im Praefurnium lagen ihr ohnehin zu Füßen.
Sie hatten ihr Heim erreicht, und Rufina war noch immer in Gedanken versunken. Noch
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