Rheines Gold
feinfühliger Mann, Burrus.«
»Ich habe kämpfen gelernt, Patrona, und überleben. Beides kann man nur, wenn man sehr feine Gefühle entwickelt. Besonders um Letzteres zu gewährleisten.«
»Da hast du wohl Recht. Das versucht mir Eghild auch immer einzubläuen.«
»Wusste gar nicht, dass die Barbarin solche Erkenntnisse hat«, grummelte Burrus, und Rufina konnte schon wieder lächeln. »Schön, ab morgen kümmere ich mich um dich. Ich werde eine Möglichkeit finden, in deiner Nähe zu bleiben. Vielleicht werde ich noch einen weiteren Mann benötigen. Ich sage dir dann Bescheid.«
»Danke, Burrus. Bis morgen.«
In dieser Nacht fand Rufina nicht viel Schlaf. Immer wieder fragte sie in die Dunkelheit: »Maurus, welchem Geheimnis warst du auf der Spur?«
Rufina schnaufte sehr unweiblich, als sie aus der letzten Kniebeuge hochkam. Noch war sie ganz alleine im Gymnasium. Die Frauen kamen erst langsam ins Bad geschlendert und zogen sich noch um. Sie fragte sich, warum Eghild noch nicht eingetroffen war. Die Germanin pflegte gewöhnlich eine der Ersten zu sein, die ihren Dienst antrat. Die Sonnenuhr zeigte schon die dritte Stunde nach Sonnenaufgang an, als sie schließlich eintraf.
»Du hast deine Gymnastik schon gemacht?«, fragte sie kurz angebunden, und Rufina nickte. Eghild würde Gründe gehabt haben, warum sie später kam, sie war ansonsten zuverlässig, also fragte sie nicht weiter nach.
»Machen wir Übung mit kurzem Messer.«
»Gut.«
Sie übten Angriff und Verteidigung, umschlichen einander mit aufmerksamer Gespanntheit, und mehr als einmal musste Rufina dem hölzernen Dolch mit einem schnellen Sprung zur Seite ausweichen. Doch erschien ihr ihre Partnerin an diesem Morgen einigermaßen schwerfällig. Nach einigen spielerischen Ausfällen gelang es ihr, Eghild mit einem schnellen Seitwärtsschritt aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein Tritt gegen das Standbein brachte sie zu Fall, und Rufina stürzte sich mit einem triumphierenden kleinen Schrei auf sie, um ihr das Messer auf die Brust zu setzen.
Normalerweise hätte sie jetzt eine knurrige Anerkennung zu hören bekommen, doch die blieb aus. Eghild war grau im Gesicht, und ein schmerzliches Stöhnen brachte Rufina dazu, sofort von ihr abzulassen.
»Habe ich dir wehgetan, Eghild? Bist du verletzt?«
»Nicht schlimm!«, keuchte sie, blieb aber am Boden liegen.
»Eghild, etwas stimmt nicht mit dir!«
»Kleiner Unfall gestern Abend. Hilf mir auf.«
»Oh nein, du bleibst liegen. Du bist blass und hast Schmerzen. Wo?«
Eghild hatte die Augen geschlossen und stöhnte noch mal.
»Rippen.«
Rufina zog ihr die Tunika hoch und betrachtete entsetzt die blauen und grünen Quetschungen und die abgeschürfte Haut.
»Das war kein Unfall, das war eine Prügelei.« Sie stieß einen gellenden Pfiff aus, und der Laufbursche aus dem Eingangsbereich kam in das Gymnasium gepoltert.
»Ist Viatronix, der Arzt, schon da?«
»Ja, Patrona.«
»Bitte ihn her. Möglichst schnell!«
»Keinen Arzt!«, keuchte Eghild.
»Ganz bestimmt einen. Und zwar einen gallischen. Der wird dir gefallen!«
»Nein! Ich habe kein Geld für Arzt.«
»Aber ich. Nun sei still, Eghild.«
Viatronix, der Arzt, der dreimal in der Woche seine Sprechstunde in der Therme hielt, war ein grauhaariger, hagerer Mann mit tief liegenden Augen. Er wirkte oft mürrisch, war aber sehr versiert und hatte feinfühlige Hände, wenn er Wunden versorgte oder Operationen durchführte. Rufina selbst hatte seine Dienste schon zweimal in Anspruch genommen, und auch Crispus, der gerne von Bäumen fiel, die zu hoch für seine Kletterkünste waren, hatte er kundig verarztet. Ein Blick auf Eghilds Regenbogenrippen, und er nickte.
»Bringen wir sie in meinen Behandlungsraum.« Vorsichtig halfen sie der Verletzten auf und stützten sie die wenigen Schritte zu Viatronix’ Kämmerchen. Dort legten sie sie auf eine Kline, und er tastete sie sorgfältig ab.
»Zwei Rippen gebrochen! Mit wem hast du dich angelegt, Eghild? Mit einer römischen Belagerungsmaschine?«
»Unfall. Sonst nichts.«
»Na, wenn du es sagst... Ich habe Salben für die Wunden und werde dir einen festen Verband anlegen. Dann ruhst du heute aus.«
»Muss nach Hause.«
»Du kannst nicht gehen.«
»Bin doch auch hergekommen!«
Rufina wusste, wie stur Eghild sein konnte und überlegte einen Moment. Dann meinte sie: »Du legst dich in mein Zimmer bis heute Mittag. Dann kommt Burrus, er wird dich nach Hause begleiten.«
Hätte Viatronix nicht
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