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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Kindern und einigen Dienern dort hingezogen, hatte eigenhändig die Urne in das tiefe Loch versenkt und mit erstarrtem Gesicht zugehört, wie Fulcinia bei den gesenkten Fackeln die Totenklage sang. Sie hätte auch klagen müssen, weinen und jammern, doch der Mund war ihr trocken gewesen, und die Tränen wollten nicht fließen. Crispus und Maura hatten schon damals nicht einsehen wollen, dass sie am Grab ihres Vaters standen. Doch sie wirkten verloren und ungläubig an diesem trüben, dunklen Wintertag. Schließlich hatte Rufina mit bloßen Händen die eisig kalte Erde auf die Urne gehäuft. Auf das Grab hatte sie die Deckelschale gestellt, in die sie ihre hüftlangen Haare gelegt hatte. Dann hatte sie sich stumm abgewendet.
    Erst fast zwei Monate später fand sie den Mut, wieder dorthin zurückzukehren, zusammen mit ihrem Schwiegervater. Der Steinmetz hatte den Gedenkstein aufgerichtet und auf den Sockel davor die Schale mit ihrem Haaropfer gestellt. Doch auch an diesem Tag waren ihre Augen trocken geblieben, und der Kloß in ihrem Hals hatte sie daran gehindert, laut ihre Gebete zu sprechen.
    Das nächste Mal war sie zu den fünften Iden des Mai dort gewesen, dem zweiten Tag der Lemuria, und hatte Speiseopfer für den hungrigen Geist des Toten gebracht. Dieses Mal aber hatte sie zwar weinen können, doch für die Gebete fehlten ihr die Worte. Dafür hatte sie aus den wilden Veilchen, die am Wegesrand wuchsen, einen kleinen Kranz geflochten.
    An dem heutigen Tag nun wollte sie endlich ihre Gebete sprechen.
    Sie blieb an dem schlichten Gab stehen und verabschiedete sich von Eghild, nicht ohne ihr das Versprechen abzunehmen, erst wiederzukommen, wenn ihre Blessuren verheilt waren. Burrus jedoch blieb an ihrer Seite.
    »Ich störe dich nicht, Patrona, aber ich will in deiner Nähe weilen. Verrichte du deine Gebete, ich behalte die Umgebung im Auge.«
    »Schon gut, Burrus.«
    Die Opferkuchen, die getrockneten Aprikosen, die eingelegten Oliven, alles das war verschwunden. Rufina war realistisch genug, nicht die Lemuren, sondern sehr körperliche Wesen für ihr Verschwinden verantwortlich zu machen. Es gab streuende Hunde - und hungrige Menschen. Auch das vertrocknete Blütenkränzchen hatte wohl der Wind verweht.
    Sie stand lange vor dem Stein, das Haupt verhüllt, und versuchte, die Worte zu finden, die schicklich zu den Göttern gesandt wurden, wenn man am Grab eines Verstorbenen stand, doch wieder wollten sie ihr nicht über die Lippen kommen. Stattdessen hörte sie den Wind leise um die Grabmale wispern: »Füchschen, mein Füchschen.«
    »Maurus, komm zu mir zurück!«, flüsterte sie, und heiß tropften die Tränen aus ihren Augen. »Ich hätte dir so viel zu sagen. Mein Liebster, ich habe so vieles jetzt erst von dir erfahren.«
    Sie musste wohl einmal laut aufgeschluchzt haben, denn Burrus berührte sie sacht am Arm.
    »Lass uns gehen, Patrona. Es tut dir zu weh.«
    Rufina wischte sich mit dem Zipfel der Palla die Tränen vom Gesicht.
    »Gleich, Burrus.«
    Hinter den Gräbern begannen die Wiesen und Weiden. Dort pflückte sie einige Frühlingsblumen und flocht sie zu einem neuen Kranz. Sorglich legte sie ihn vor den Stein. Dann erst nahm sie den lebhaften Verkehr auf der Straße wahr.
    »Patrona, lass uns reden. Hier hört uns niemand zu.«
    »Ja, gut.«
    Rufina war noch immer tief unglücklich, aber Burrus bestand darauf, dass sie zuhörte. Und ihre Aufmerksamkeit wurde wirklich geweckt, als er seinen Bericht über die Suche nach dem Mann beendete, der Erlas Tochter verführt hatte.
    »Tremerus ist einer aus dem Klientel des Lampronius Meles. Er hat ihn vor vier Jahren als Sklaven aufgenommen, aber er hat sich vor kurzem freigekauft.«
    »Dann muss er zu Geld gekommen sein.«
    »Er verwaltet Meles’ Finanzen. Ein recht kluger Mann, auch jung und gut aussehend. Bei den Frauen beliebt, aber nicht gebunden.«
    »Es bestätigt unseren Verdacht, nicht wahr, Burrus?«
    »Ja, das könnte man so sagen.«
    »Warum, Burrus, entführt ein reicher Mann wie Lampronius Meles die Gattin des Statthalters - und mich -, um uns anschließend zu befreien? Das ist doch vollkommen irrwitzig!«
    »Für ihn offensichtlich nicht. Er wird einen Grund haben. Einen sehr guten, denn die ganze Aktion war sehr aufwändig.«
    »Geld kann es nicht sein, er ist augenscheinlich reich genug, sich ein Landgut zu kaufen, und hat auch das notwendige Vermögen, um als Decurio nominiert zu werden.«
    »Patrona - er kam erst vor vier Jahren in die

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