Rheingau-Roulette
Schaden nicht so immens werden würde. Die Polizisten zweifelten an ihrer Aussage und Alexandra fühlte sich hilflos. Caro und Arno versuchten sie zu beruhigen, aber gleichzeitig spürte Alexandra Caros Anspannung, die zunehmend ängstlich die Aufenthaltsorte ihrer Töchter überwachte.
Sie telefonierte mit ihrer Maklerin und konnte nach zwei Tagen in eine Ferienwohnung einziehen, die zwar altbacken eingerichtet, aber dafür nicht so teuer war. Sie konnte mit den Eigentümern einen Monatspreis aushandeln, der einer normalen Mietwohnung entsprach. Körperlich ging es ihr gut, aber ihre seelische Verfassung war desaströs. Sie hatte Stella besucht, um ihr zu kondolieren und dankbar für ihren Besuch hatte Stella sie eingeladen, mit ihr zusammen den Nachmittag zu verbringen. Die Kinder klammerten an ihrer Mutter und Stella gab ihr Bestes, um sie in ihrer Trauer zu begleiten.
„Die Abende und Nächte sind für mich das Schlimmste. Am Tag habe ich so viel zu tun, dass ich überhaupt nicht zum Nachdenken komme. Aber abends.“ Stella verfiel in Schweigen und Alexandra wusste nicht recht, wie sie sie trösten konnte.
„Ich bin dankbar, dass ihr mir alle zur Seite steht. Der Papierkram bringt mich um.“ Stella lächelte sie traurig an. „Auch wenn ich das nicht sagen dürfte.“
„Was wirst du mit der Firma machen? Weißt du das schon?“
Stella schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe einen Kollegen von Frank gefragt, der seine Urlaubsvertretung gemacht hat. Aber er hat den Posten als Geschäftsführer abgelehnt.“ Sie seufzte. „Ich habe ihn überreden können, die Funktion bis zum Jahresende zu übernehmen. Mal sehen, was dann kommt.“
Sie war ruhig und gefasst. Sie organisierte den Alltag und das schien das Richtige zu sein, um mit dem Schmerz umzugehen. Ihre Kinder waren unablässig in ihrer Nähe und mit einem lächelnden Blick auf ihre Kinder sagte Stella: „Ich bin so froh, sie zu haben. Sie sind mir ein großer Trost.“
Hannes hatte sie kurz im Krankenhaus besucht, danach hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Er war blass und er sprach nicht viel. Er erzählte Alexandra nur knapp, was passiert war.
Frank und er wollten eine kurze Tour mit den Motorrädern zum Seddiner See machen. Hannes’ Maschine machte komische Geräusche und Frank wollte nur eine kurze Proberunde vor dem Start drehen. Von dieser kurzen Runde ist er nicht zurückgekommen.
Alexandra konnte ihm die Verzweiflung ansehen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und waren dunkel verschattet. Er hatte einen ungepflegten Bartwuchs und er war fahrig. Wie ein Tiger auf der Jagd strich er im Krankenzimmer auf und ab, kaum in der Lage, sich für einen Moment Ruhe zu gönnen. Plötzlich war er vor ihr stehen geblieben und hatte sie mit brennendem Blick angesehen.
„Caro sagt, Judith war bei dir in der Atelierwohnung und hat dich bedroht? Was ist genau passiert?“
Alexandra erzählte ihm, woran sie sich erinnern konnte. Er schwieg, bis sie ihren Bericht beendete.
„Die Polizei hat mich befragt. Wegen möglicher Manipulationen am Motorrad. Und überprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag auf dich und Franks Motorradunfall mit meiner Maschine gibt.“
„Was glaubst du?“
Er sah aus dem Fenster und schwieg.
„Hannes, was glaubst du?“
Er drehte sich zu ihr um und sein Gesicht war versteinert. Eine zu Eis gefrorene Maske. „Ich glaube nicht, ich weiß, dass Judith mit Franks Tod zu tun hat. Wenn sie mein Motorrad nicht selbst manipuliert hat, dann hatte sie einen Helfer dafür. Aber sie steckt dahinter.“
Arno feierte seinen Geburtstag nicht. Zehn Tage waren seit dem Tod von Frank vergangen. Erst in dieser Woche war der Leichnam freigegeben worden und Stella durfte endlich die Beerdigung einleiten. Die Obduktion blieb ergebnislos. Frank war kerngesund, als er verunglückte.
Der Tod von Frank hatte dafür gesorgt, dass alle Feste, die noch für das verbliebene Jahr geplant waren, abgesagt wurden. Niemand mochte feiern. Aber es mochte auch niemand allein sein und so fanden sich zu Arnos Geburtstag immer mehr vom Freundeskreis zu Kaffee und Kuchen ein. Die Kinder spielten draußen im Garten oder auf der Straße und die Erwachsenen saßen eng gedrängt im Wohnzimmer von Arno und Caro. Sie hatte für eine Kompanie gebacken, wie in weiser Voraussicht. Selbst Stella war gekommen.
Alexandra hatte einen Platz schräg gegenüber von Stella und Hannes ergattert, die wie in den vergangenen Tagen in stiller Eintracht
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