Rheingau-Roulette
die Stirn machst. Du brauchst einen Kerl, der morgens bei dir aus dem Haus kommt!“
Neugierig fragte Andi: „Du willst dich tätowieren lassen? Die Stirn ist nicht gerade die günstigste Stelle dafür, oder?“
„Er redet wirr.“ Alexandra zeigte auf Hannes. „Ich habe mich vorhin über die Argusaugen beklagt, die mich hier beobachten und darüber, dass alle Welt glaubt, ich wäre hier auf Männerfang.“ Sie fuhr sich durch die Locken. „Bin ich aber nicht. Ich bin gerade bedient genug.“
„Welcome to the Club.“
Andis nettes Lächeln und der warme Tonfall, der ihre Aussage unterstrich, verwunderte Alexandra. War die Dame doch nicht so eine Zimtzicke? Jedenfalls musste sie keine Angst haben, dass Alexandra sich an ihrem Hannes vergreifen würde. Oder? Der lachte laut und sagte:
„Mensch Andi, hättest du mal vorher Dieter gefragt. Das dein Bertel einer vom anderen Ufer ist, hätte der gleich rausgefiltert.“
Andrea zog eine Grimasse. „Ich hatte mir ja schon so was gedacht. Aber es war halt zu schön.“ Sie wandte sich Alexandra zu. „Ich hab vor ein paar Tagen eine Beziehung beendet, weil der Mann,“ sie seufzte herzzerreißend, „ich sag dir, das war ein Traum von einem Kerl: groß, schön, intelligent, charmant und reich!“, sie seufzte erneut. „Tja, jedenfalls habe ich die Beziehung beendet, weil dieser Traumtyp leider schwul war. Er kommt aus einer alteingesessenen Berliner Unternehmerfamilie und aus gesellschaftlichen Gründen sollte er heiraten. Die Familie hatte beschlossen, er ‚dürfte‘ weiter schwul sein, aber er müsste eine Alibifrau präsentieren. Seine männlichen Liebschaften dürfte er heimlich lieben. Wenn er nach angemessener Zeit einen Erben zeugen würde. Mit künstlicher Befruchtung versteht sich.“ Andi schüttelte den Kopf.
„Für diese Pseudohochzeit hat er eine Frau gesucht und mich gefunden. Und ich blöde Nuss hab’s nicht gemerkt. Seine Mutter hat mich nach der Trennung tagelang verfolgt und hat mich angebettelt. Ich hatte meine Meinung schon fast wieder geändert. Aber es geht einfach nicht. Als Gebärmaschine möchte ich mir meine Handtaschen doch nicht verdienen.“
„Wieso hast du Skrupel? Wer weiß, wie viele gesellschaftliche Arrangements auf dieser Grundlage fußen. Und Bertel würde dich auf Händen tragen!“ Hannes zuckte die Achseln. „Oder wartest du immer noch auf den Prinzen mit dem weißen Pferd?“
„Prinz mit weißem Cabrio bitte.“ Andi lachte. „Nee, ich verschenke doch nicht meine besten Jahre an überkommene Familientraditionen. Nach ein paar - vielleicht sogar ganz guten - Jahren, die man auf Händen getragen wird, hat man so verkrüppelte Füße, dass man keinen eigenen Standpunkt mehr einnehmen kann, selbst wenn man dann noch einen haben sollte ...“
Diese Aussage ließ sie in Alexandras Augen in anderem Licht erscheinen. Möglicherweise war Andrea gar nicht so doof und oberflächlich, wie ihr erster Eindruck von ihr war.
Andrea schmiegte sich an Hannes. „Und nachdem du mir pausenlos Abfuhren erteilst, muss ich ja weiter suchen.“
Er legte den rechten Arm um sie und drückte sie fest an sich.
„Oh Andi, Darling, ich würde dich ja nicht immer abweisen, aber deinen Unterhalt kann ich mir einfach nicht leisten. Allein deine Handtasche da. Die ist doch bestimmt von Gucci, oder?“ Er sprach es wie ‚Gucki’ aus und grinste.
“Könnte aber auch Versace sein“, dabei sprach er Versace wie ‚Versacke’ aus und wies auf die Beutelform der Handtasche. „Ein Sack. Alles, was den Weg dahin hineinfindet, ist und bleibt für immer und ewig verschollen. Cast away.“
Andi lachte. „Du bist und bleibst ein Kulturbanause. Weißt du was diese Handtasche, die übrigens von Armani ist, gekostet hat?“
Hannes zog die Brauen hoch. „Ah, Manni hat die Tasche gemacht? Na schön, sag schon wie viel. Vierstellig?“
„Ich habe sie im Secondhand-Laden erstanden, für schlappe fünfzig Euros.“
Stolz wedelte Andrea mit dem Sack an ihrer Hand herum.
„Zu viel, wenn du mich fragst. Vor allem, weil du schon Hunderte dieser merkwürdigen Beutel hast. Wenn ich dein Mann wäre, dann hätte ich dich schon längst auf Shopping-Diät gesetzt.“
„Ach ja. Dann ist es ja gut, dass wir beide nicht heiraten!“
Interessant. Alexandra hörte die beiläufige Bemerkung, die Andrea ohne spitzen Unterton äußerte. Was haben die Beiden für eine Beziehung? Sie flirten heftig miteinander, aber haben keine Ambitionen? Oder ist das Vorgeben
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