Rheingau-Roulette
von ‚Keine Ambitionen haben’ das Einleiten eines Flirts, aus dem sich im Weiteren mehr ergeben soll? Ihre Gedanken sprangen zwischen diesen Überlegungen hin und her. So abgelenkt, registrierte sie erst im zweiten Anlauf die Frage, die Hannes an sie richtete.
„Tanzt du mit mir?“
„Nein.“ Alexandras erster Gedanke war: „Nein. Ich tanze nicht mit dir, du riechst zu gut. Deine Nähe ist beängstigend für meine emotionale Balance.“
Warum denkt sie „Nein“ und antwortet „Ja“?
„Ja. Warum?“
„Was warum?“ Seine Stimme klang eine Spur irritiert.
„Warum willst du mit mir tanzen? Ich kann es immer noch nicht besser als vor zwei Wochen.“
Er sah sie direkt an. Dunkle blaue Augen, deren hypnotischer Blick direkt in die Eingeweide trifft und dort Unruhe verbreitet. Seit wann hatte er blaue Augen?
„Genau deshalb. Es macht mir Spaß mit dir. Außerdem ...“ Hannes legte ihr seine Hand auf den Rücken und leitete sie durch den Garten auf die Tanzfläche.
„Außerdem?“
„... hatte ich den Eindruck, dass du auch Spaß am Tanzen mit mir hast. Auch wenn du es noch nicht perfekt kannst.“
Der Abend war schon vorangeschritten, als sie von der Tanzfläche zurückkamen. Sie hatten nicht nur einen Tanz, sondern fünf hintereinander absolviert. Alexandra musste zugeben, dass sie mit Hannes auf dem Tanzparkett gut zurechtkam. Er hatte Recht, es machte tatsächlich Spaß mit ihm zu tanzen. Er hatte eine Art sie zu führen, die es ihr leicht machte, die Tanzschritte einzuhalten, die er vorgab. Die Gespräche, die sie während des Tanzens führten, waren belanglos und Alexandra hatte den Eindruck, sobald das Gespräch eine persönlichere Dimension erreichte, die auch Hannes betraf oder im weiteren Verlauf des Gespräches betreffen könnte, dann blockte er ab. Hannes tat es sehr dezent und wechselte in diesen Momenten geschickt das Thema. Er war witziger, als sie dachte. Sein schwarzer Humor gefiel ihr und seine Charakterisierungen der anderen Tänzer waren sowohl bissig als auch stimmig, so dass sie häufig in Lachen ausbrechen musste.
Das nächste Lied, das die Band anspielte, war eine sehr langsame Schnulze. Alexandra wollte diesen Tanz nicht mit Hannes tanzen. Das Lied war zu langsam, um es unverfänglich zu tanzen. Er hatte sie schon bei den ersten Takten der Musik viel zu dicht an sich herangezogen und die Unruhe, die diese unvermittelte Nähe in ihr auslöste, machte ihr Angst. Er hatte ihr einen merkwürdigen Blick zugeworfen, als sie den Tanz abbrach. So, als wüsste er, warum sie die Tanzfläche verließ und als würde er das bedauern.
Sie ging zu Caro, die an einem der Tische saß und sich ein Glas Wein einschenkte.
„Uff, geschafft! Jetzt kann die Party richtig losgehen. Arno ist gerade mit den Kindern nach Hause, um sie in die Obhut der Großeltern zu geben.“ Caros prüfender Blick glitt über Alexandra. „Und du? Hast du dich außer Atem getanzt oder warum hast du Schnappatmung?“
Alexandra erwiderte den Blick ihrer Cousine kommentarlos. Ihr Rücken fühlte sich an, als ob er von brennenden Blicken durchbohrt würde. Hannes. Sah er sie immer noch so an, wie eben auf der Tanzfläche? Als sie sich umdrehte, stand Thessmann hinter ihr.
Der Andrang am Buffet war etwas zurückgegangen und Alexandra war mit Thessmann losgegangen, um etwas zu essen zu holen. Gefühlt hing ihr der Magen in den Kniekehlen, aber sie hatte nicht wirklich Hunger. Der Appetit war ihr in dem Moment vergangen, als sie den Aufruhr ihrer Innereien wahrnehmen musste. Und nur, weil Hannes nach dem abgebrochenen Tanz an ihr vorbeiging und dabei - wie zufällig - leicht über ihren nackten Arm strich. Die Berührung war so leichthin, dass man sie als zufällig hätte wahrnehmen können. Alexandras Sinne waren jedoch aufs Äußerste gespannt und so richteten sich ihre zarten blonden Härchen auf den Armen auf. Er hatte nichts weiter gesagt, sie nicht angesehen und war im hinteren Teil des Gartens verschwunden. Sie war sich seiner Anwesenheit deutlich bewusst und ärgerte sich über sich selbst. Ärgerte sich über diesen Mann, der mehr Raum in ihren Gedanken einnahm, als sie ihm zugestehen wollte.
„Du hast ja Gänsehaut! Ist dir bei dieser Hitze etwa kalt?“ Harald Thessmann, der neben ihr stand, sah sie prüfend an.
„Ich hab noch nichts gegessen“, sagte Alexandra schnell und rieb sich fröstelnd über die Arme. „Vermutlich habe ich nur Hunger.“
Thessmann erging es ähnlich und so standen
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