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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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sie zwei Minuten später friedlich nebeneinander vor dem Essen und versuchten herauszufinden, welche Köstlichkeiten auf dem Buffet angeboten wurden.
    „Schau mal hier. Sieht aus wie Scampi-Spinat-Salat.“ Thessmann hielt ihr einen Löffel vor die Nase. „Magst du?“
    Alexandra schüttelte sich. „Nee, bloß nicht. So viel Antibiotika, wie in den Dingern ist, nehme ich nicht mal bei einer Blaseninfektion zu mir.“
    Thessmann grinste. „Och, dann ist das ja gerade das Richtige für mich. Bei meinen ständigen Aufenthalten in kalten Kirchen und auf fußkalten Kanzeln neige ich zu chronischen Blasenentzündungen!“ Er biss herzhaft in eine Garnele und versuchte erfolglos, die Salatsauce, die über seine Lippen auf sein Kinn tropfte, mit der Zunge aufzufangen. Alexandra musste lachen.
    „Du brauchst ein Lätzchen!“ Sie lachte noch mehr, als Sändi, die hinter ihnen stand, mit einem Taschentuch in der Hand fröhlich drohend auf Thessmann zukam.
    „Du weißt doch, wie Mütter das machen, oder?“ Sändi spuckte in das Taschentuch und machte eine Bewegung auf Thessmann zu, der sich lachend hinter Alexandra in Sicherheit brachte.
    „Hilfe!“
    „Wieder einer mit einer frühkindlichen Negativ-Prägung durch die Mutter.“ Sändi lachte und steckte ihr Taschentuch wieder ein.

Judith -2-
     
    Sie spürte, wie eine kalte Hand nach ihrem Herz griff. Hannes tanzte mit der Frau. Alexandra hieß sie, das hatte sie bereits herausgefunden.
    Von ihrem Beobachtungsposten aus hatte sie erkennen können, wie er sie ansah. Sie wusste, er war interessiert. Und sie sah, dass auch Alexandra interessiert war. Sie musste es sein. So wie die anderen auch, die sie immer und immer wieder von ihm fernhalten musste.
    Es war schwere Arbeit, diese ganzen Frauen von ihm fernzuhalten. Die taten ihm nicht gut, das wusste sie genau. Das letzte Mal, als sie ihn mit einer anderen Frau erwischt hatte, war sie ihm bis nach Cottbus nach gefahren. Er hatte zunehmend angefangen, seine Kontakte auch in seinem Freundeskreis geheim zu halten, und es war nicht mehr so einfach, dahinter zu kommen, mit welchen Frauen er sich traf.
    Erst nachdem sie Milan kennengelernt hatte, wurde es einfacher, Hannes im Blick zu behalten. Milan hatte dafür gesorgt, dass sie immer in das Atelier konnte, wenn sie wollte. Er hatte die Computeranlage angezapft, und wenn Hannes seinen Zugangscode änderte, bekam sie eine Nachricht auf ihr Handy mit dem neuen Code. Sie hatte auch Zugriff auf seine E-Mail Konten. Irgendeinen Trojaner hatte Milan in den Computer von Hannes eingeschleust. Es war kompliziert, nachdem Hannes einen Virusbefall seines Rechners bemerkt hatte und seinen Freund Frank beauftragt hatte, seinen Computer zu checken. Eine Zeitlang hatte sie Angst, der Trojaner würde bemerkt und Hannes würde seinen Computer besser schützen. Aber Milan hatte sich gekümmert. Er war ein Genie. Ein Verbrecher, aber ein Genie. Er gehörte zu irgendeiner bulgarischen Bruderschaft, wie er sagte, die das Vermögen in Europa gleichmäßiger verteilen wollten. Er hatte ihr nicht viel erzählt von sich. Sie wusste, er hat Frau und Kinder, aber mehr wollte sie nicht wissen in ihren kurzen Nächten. Milan kam zwei, dreimal im Monat zu ihr. Manchmal brachte er jemanden mit. Sie wusste nie, wann oder woher er kam. Und sie bot ihm eine räumliche und körperliche Zuflucht. Er war im Bett ein Tier. Unflätig, mit gebrochenem Deutsch sagte er Worte, die ihr bei einem Anderen die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Bei Milan gehörte es dazu. Die Brutalität, die er manchmal zeigte, war sie gewöhnt. Es war wie mit den Männern vor Hannes. Sie waren alle so. Sie hatten sie geschlagen, getreten und ihr gezeigt, dass sie ein Nichts ist. Nur gut für das Bett. Milan schlug sie nur selten. Meist, wenn sie sich nicht gleich für ihn auszog, oder wenn sie nicht sofort nach Hause kam, wenn er seine Ankunft mitteilte. Der Sex mit ihm tat ihr gut, so, wie er mit ihrem Körper umging, aber ihr Herz erreichte er nicht.
    Hannes war der erste ihrer Männer, der anders war. Sie hatte sich nicht bewusst auf ihn eingelassen, es war eher eine „harmlose“ Affäre, die aber zusehends zu einer Obsession wurde. Hannes war überhaupt nicht der Typ Mann, auf den sie stand.  Sie konnte mit Brutalität und Demütigung umgehen, wusste, wie man leidet, und flüchtete aus ihren Beziehungen immer über das Anknüpfen einer neuen Partnerschaft - die meist genauso desaströs endeten, wie die vorhergehenden.

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