Rheingau-Roulette
überspielen. Ein Flirt, gut und schön. Darauf wollte sie sich ja schon einlassen. Aber mit dem Pfarrer? Ob sie da nicht außerhalb ihrer Preisklasse arbeitete? Was, wenn er das Ganze plötzlich ernst nahm? Alexandra sah sich schon im Pfarrhaus sitzen und das Damenkränzchen anleiten. Kleine Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Himmel hilf. Caro, hilf mir! Ihre leisen gedachten Worte schienen ihre Cousine zu erreichen. Auf dem Weg von der Tanzfläche kam ihnen Caro entgegen. Als sie auf gleicher Höhe waren, zog sie Thessmann zur Seite und fragte ihn, ob er schon die neueste Geschichte von Natz und Josie gehört hätte. Erleichtert über die Ablenkung Thessmanns durch Caro, stand Alexandra neben den beiden und sah zur Tanzfläche. Die meisten Gäste tanzten allein, nur Andi tanzte mit einem großen Mann und Hannes tanzte wild mit einer rothaarigen Schönheit, die Alexandra dunkel bekannt vorkam. Sie wandte sich zu ihrer Cousine neben ihr, um sie nach der Frau zu fragen. Caro plauderte noch mit Thessmann über ihre Kinder. Dankbar warf ihr Alexandra einen beredten Blick zu, den Caro mit hochgezogenen Augenbrauen und der stillen Fragestellung: „Was war denn das da eben auf der Tanzfläche? Habe ich bei dir was verpasst?“ quittierte.
Durstig griff Alexandra nach einem Glas Wasser. Ihr erhitzter Körper verlangte nach Abkühlung und sie überlegte, ob sie sich in das Badezimmer zurückziehen könnte, um sich kalt abzuwaschen.
„Tanzt der Pfarrer besser als ich? Oder hast du zwischenzeitlich einen Tanzkurs gemacht?“ Hannes kühle Stimme mit einem Unterton von Spott erklang neben ihr.
Mit fragendem Gesichtsausdruck drehte sich Alexandra zu ihm um. „Wie meinst du das?“
„Es sah so harmonisch aus. Und ich weiß, dass der Pfarrer eine Frau sucht. Es wirkte wie ein Paarungsritual!“ Hannes grinste anzüglich.
„Paarungsritual. So ´n Quatsch“, knurrte Alexandra. Sie fühlte sich ertappt. „Mir war nicht bewusst, dass ich hier so unter Beobachtung stehe und dass es auffällt, mit wem ich tanze und wie ich tanze.“
Hannes nickte. „Du bist hier auf dem Dorf, Alex. Hier wird alles, aber auch wirklich alles registriert. Vor allem dann, wenn du neu bist. Und hübsch.“ Hannes trank einen Schluck Rotwein. „Und wenn du mit dem ledigen Pfarrer tanzt. Du trittst hier der einen oder anderen Schönheit auf die Füße, die sich bei dem attraktiven Mann Chancen ausgerechnet hat!“
Sprachlos stand Alexandra vor ihm, ihr fiel nichts ein, was sie antworten konnte. Spinnen hier denn jetzt alle?
„Ich glaube, ich lasse es mir auf die Stirn tätowieren: Ich, Alexandra Rabe, suche derzeit keinen Mann, Ausrufungszeichen!“
„Gib´s auf. Glaubt dir doch keine! Dafür ist dein Blick zu suchend!“ Er lächelte süffisant und schlenderte zu Andrea, die mit einer braunhaarigen Frau plauderte. Alexandra konnte sich an deren Namen nicht erinnern, wusste aber, dass sie auf der letzten Party auch da war. Sie sah sich weiter um. Thessmann tanzte schon wieder, diesmal mit Sändi, und es sah mindestens ebenso nach Paarungsritual aus wie ihr Tanz. Sändi schmiegte sich hingebungsvoll an seine Schulter und Thessmann wirkte nicht, als ob es ihm missfiele. Optisch waren die Beiden ein schönes Paar. Beruhigt darüber, dass sie scheinbar nicht die Einzige war, an der er interessiert war, nahm sich Alexandra ein Glas mit Weißwein. Sie kam nicht dazu, daraus zu trinken. Andrea stand plötzlich neben ihr.
„Hi.“
Alexandra wandte sich der zierlichen Blondine zu und suchte gleichzeitig ihre nähere Umgebung nach Hannes ab. Sie wunderte sich. Kein Hannes in der unmittelbaren Nähe und trotzdem sprach sie Andrea an?
„Selber Hi.“ Sie wartete ab.
„Hannes hat erzählt, dass du neuerdings mit unserem Dorfirren in Verbindung stehst?“ Ihre Stimme war freundlich und ohne den frostigen Unterton des letzten Gesprächs.
Alexandra seufzte. „Leider ja. Das heißt, er hat Kontakt zu mir aufgenommen. Unaufgefordert.“
„Hannes hat es mir erzählt. Du weißt, dass ich vor ein paar Jahren ähnliche Erfahrungen gemacht habe? Übrigens nicht als Einzige hier in der Runde.“
„Ja. Wie bist du ihn losgeworden?“
„Keine Ahnung. Es hat genauso plötzlich aufgehört, wie es angefangen hatte. Vielleicht lag es an dem Mann, mit dem ich damals zusammenkam. Nach dem der regelmäßig bei mir morgens aus dem Haus kam, war Ruhe.“
Hannes war unbemerkt zu ihnen getreten. „Also Alex, es hilft nichts, wenn du dir ein Tattoo auf
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