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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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über diese Räume bestimmen. Sie mochte es gern farbig, aber die Bilder, die sie aufhing, waren ausnahmslos schwarz-weiß und abstrakt. Dafür waren die Wände in verschiedenen Farben gestrichen. Der erste Behandlungsraum war an einer Wand in einem warmen Gelbton gestrichen, auf der kleine Strichmännchen tanzten. Die anderen Wände waren in einem dezent irisierenden Cremeton angelegt. Gegenüber dem Fenster war ein Regalsystem angebracht, das über die gesamte Wandfläche reichte und mit Schiebeelementen versehen war, die im gleichen Farbton wie die Wand in der Sonne schimmerten. Der Schreiner, der ihr den Tresen gebaut hatte, hatte die Schiebeelemente gebaut und auch lackiert. Der Schrank war ein Platzwunder, wie Alexandra begeistert feststellte, als sie die ersten Therapiematerialien  einräumte, und er fügte sich angenehm unauffällig in den Raum.
    Im zweiten Behandlungsraum hatte sie eine Wand in einem dunklen Ochsenblutrot gestrichen und mit mehreren großen hell gerahmten Spiegeln versehen. Die anderen Wände waren in dem gleichen leichten Cremeton gestrichen wie schon das erste Zimmer und der Flur. Kühle Vanille, wie ihr Fachmarktberater die Farbe nannte. Alexandra hatte sich für diesen Farbton entschieden, weil sie klassisches Weiß als zu hart empfand und der warme Eindruck der Farbe mit dem dezenten Glanz gut zu ihren Holzmöbeln passte. Sie hatte das zweite Behandlungszimmer sehr schlicht eingerichtet. Ein Tisch mit vier einfachen Stühlen, sowie ein schmales Wandregal mit Türen standen in dem Raum. Der Boden war mit robustem, nussbaumfarbigen Korkparkett ausgelegt, wie alle Räume, bis auf die weiß gefliesten Bäder.
    Der Fußbodenbelag verlieh der ganzen Praxis einen Hauch von Exklusivität und Eleganz, der Alexandra sehr gut gefiel. Sie wusste nicht, ob sie das zweite Behandlungszimmer so schnell als Therapieraum brauchen würde, aber sie wollte vorbereitet sein. Langfristig wollte sie die Möglichkeit haben, eine Kollegin anzustellen, deshalb hatte sie sich für eine Praxis mit drei Räumen entschieden.
    Die kleine Küche mit der roten Küchenzeile hatte sie mit dem Nötigsten ausgestattet. Geschirr, Besteck, einen Wasserkocher und vor allem eine Kaffeemaschine. Eigentlich hätte sie sich gern einen Kaffeevollautomaten gegönnt, aber diese Investition hatte sie vorerst verschoben. Zunächst musste die Praxis laufen, dann würde sie sich eine luxuriösere Ausstattung gönnen.
    Im kleinsten Zimmer der Praxis hatte sie ein Büro eingerichtet. Eine Wand hatte sie in einem dunklen warmen Braunton angelegt und ein Wandtattoo in weißer Schrift verlief quer darüber: „Es wird immer alles gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht ...“ Hermann Hesse.
    Gegenüber stand ihr Schreibtisch mit ihrem Computer und einem abschließbaren Aktenschrank. Die Ablage auf dem Tisch war leer und die blanke Arbeitsplatte glänzte in der Sonne. Alexandra seufzte. Vorsichtig strich sie über die Arbeitsfläche. Sie wusste, es würde nicht lange dauern und auf ihrem Schreibtisch würde das Chaos hausen. Sie seufzte noch mal und begann zu lächeln. Das würde zweierlei bedeuten. Zum einen, dass ihre Praxis läuft. Zum anderen, dass sich Menschen an den wesentlichen Punkten ihrer Persönlichkeit nicht ändern. Sie erinnerte sich an einen Streit mit Oliver, der sich nur darum drehte, dass sie ein chaotisches Ablagesystem hatte, mit dem er nicht zurechtkam und sie immer davon überzeugen wollte, ihr System zu ändern.
    „Tja. Das hat er nun davon. Kann er sich mit Leila über seine Ablageordnung streiten.“ Sie musste schon wieder grinsen. Es war ihr leicht ums Herz und die Einsicht, dass der Gedanke an Oliver und Leila sie nicht mehr so verletzen konnte wie noch vor zwei Monaten, erleichterte sie. Es ging aufwärts mit ihr. Nach einem befriedigten Blick in die Räume und ihren Einrichtungszustand entschied sie sich, die restlichen Therapiematerialien in Hannes’ Stall zu sortieren und radelte zum Hof.
     
    Hannes war nicht da. Das Auto stand zwar im Stall, aber das Motorrad war weg. Alexandra stellte ihr Fahrrad auf dem Hof neben der Linde ab und setzte sich unter den Baum. Die kleinen Kobolde, die ringsum aufgereiht auf dem obersten Teil der Banklehne saßen, grinsten sie listig an. Amüsiert über ihre gewitzten Gesichter, entschied sie sich, den sommerlichen Nachmittag auf der Bank noch einen Moment zu genießen. Sie warf einen Blick in den Himmel. Die Sonne stand unbewegt und verstrahlte sich in gleißendem

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