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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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der Haustür.
    „Haben Sie einen Wasserschlauch hier draußen? Und eine Mülltüte?“
    Alexandra wies auf den Gartenschlauch an der Hausecke und holte einen Müllsack aus der Küche. Der Polizist war wirklich freundlich, wie sie feststellte. Er entsorgte die tote Ratte in der Mülltonne und spritzte die Treppe ab, bis außer Wasserflecken keine Spuren der Gülle mehr zu sehen waren. Selbst der Gestank der Gülle schien sich unter dem polizeilich beaufsichtigten Wasserstrahl zu verziehen.
    „Vielen Dank. Möchten Sie einen Kaffee?“
    Der Polizist lächelte sie fröhlich an. „Nach dieser Ekelnummer wäre ein Schnaps vielleicht angebrachter. Aber“, er zuckte mit den Achseln, „erstens ist es noch zu früh und zweitens bin ich im Dienst.“
    Alexandra lächelte zurück. „Also Kaffee?“
    „Gern!“
    Seine Fragen waren eine Wiederholung. Er konnte keine Erfolge vermelden. Auch die regelmäßigen Streifenfahrten, die er und sein Kollege an ihrem Haus vorbei machten, hatten noch keine Ergebnisse gebracht. Er bedauerte es, das konnte Alexandra ihm ansehen. Als er ging, betonte er noch mal, dass sie sich jederzeit an ihn wenden könne und Alexandra fiel Hannes’ Bemerkung von der Frau ein, die durch die Bedrohung ihren Mann bei der Polizei kennen lernte.
    „Haben Sie eine Freundin? Was würden Sie ihr raten, wenn sie derart bedroht würde?“
    Er lächelte sehr liebenswürdig. „Ich habe keine. Aber einer sympathischen Frau würde ich raten, sich einen netten Freund zu suchen. Sie sind ja nicht die Erste im Ort, die Erfahrungen dieser Art macht. Bisher hat sich das Problem dann immer ganz schnell erledigt.“ Er verabschiedete sich und Alexandra ließ die Tür ins Schloss fallen. Na dann. Genau das Gleiche hatte ihr Hannes auch schon geraten.
     
     
    Es war kurz nachdem der Polizist gegangen war, als der Anruf kam. Sie packte schnell ihren Rucksack und fuhr mit dem Fahrrad in die Praxis. Die Spedition, die ihre bestellten Praxismöbel bringen wollte, hatte angerufen und nun standen Arbeiter vor der Praxis, um auf sie zu warten. Die kräftigen Möbelpacker hatten die großen Teile schnell die Stufen hochgewuchtet und genauso schnell aufgebaut. Ein paar kleinere Möbel musste sie noch umstellen und dann würde sie die ersten Therapiematerialien einräumen können. Ein Teil war bereits angeliefert worden und lag noch in Kartons verstaut in der Praxis. Den anderen Teil der Materialien hatte sie bei Hannes zwischengelagert, Dinge, die sie noch aus der alten Praxis hatte und die in verschiedenen Umzugskisten still vor sich hindämmerten.
    Sie würde mindestens einen Nachmittag opfern müssen, um sich durch die Kisten zu arbeiten.
    Die Praxis nahm mehr und mehr die Gestalt therapeutisch genutzter Räume an, wie sie befriedigt feststellte. Sie hatte einen kleinen Wartebereich und den Empfang im Flur eingerichtet. Der Tresen mit dem schmalen Aufsatz wirkte wie eine natürliche Bremse in der Laufrichtung, sodass Besucher automatisch davor stehen blieben. Der Schreiner, der ihn angefertigt hatte, hatte gute Arbeit geleistet.
    Alexandra hing ein paar Bilder auf und freute sich darüber, dass es ausschließlich ihr Geschmack war, der die Praxis dominieren würde. Mit Oliver hatte sie streiten müssen, um jede Fotografie, um jedes Bild, um jedes Ausstattungsdetail. Er liebte die markante Strenge von Stahl und Hochglanz poliertem Metall. Sie mochte gern Holz, Farben und reduziertes Design, der einzige Punkt, in dem sie mit Oliver auf der gleichen Wellenlinie schwamm.
    Einigen konnten sie sich nicht und so waren ihre Therapieräume so unterschiedlich wie sie selbst. Nur in den Gemeinschaftsräumen mussten sie sich über die Gestaltung abstimmen und das war schwierig. Letztlich setzte sich der Stil von Oliver durch. Alexandra wusste schon nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, mit ihm eine gemeinsame Wohnung einzurichten.
    Sie überlegte. Nein, es war ja keine gemeinsame Wohnung. Es war seine Wohnung, in die sie mit eingezogen war. Ebenso, wie es seine Praxis war, in die sie als Partnerin eingestiegen war und sein Freundeskreis, der sie aufgenommen hatte. Vielleicht war es das. Der Grund, warum sie nicht härter gekämpft hatte, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Sie hat instinktiv schon damals gewusst, dass dieses Projekt nicht für die Ewigkeit war. Nicht Oliver und nicht die Praxis.
    Sie seufzte und blickte sich um. Das wird ihr nie wieder passieren. Hier würde ihre Praxis entstehen und kein Mensch außer ihr würde

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