Rheingau-Roulette
löffelartigen Gegenstand, der an der Ausbuchtung der Löffelfläche einen zackigen Kranz hatte. Neugierig betrachtete sie das Küchenutensil. Vielleicht würde ihr Caro sagen können, was man damit macht. Sie steckte das Teil in die Hosentasche. Einiges von dem Küchenkram würde sie sicherlich in der Praxis gebrauchen können und so stellte sie die Kiste an die Seite.
Die dritte Kiste, die sie inspizierte, war schwer. So schwer, dass sie mitsamt der Kiste fast von der Leiter gefallen wäre. Bücher. Alexandra stöhnte. Ihre ganzen Bücher standen noch hier in den Kisten. Wenigstens fand sie an der Seite die Beschriftung. Auch die nächste Kiste war beschriftet und enthielt ebenfalls Bücher. Sie überlegte. Ihre Fachbücher hatte sie in der Praxis gehabt. Soweit sie konnte, bewegte sie sich nach einer Beschriftung wie „Praxis“ suchend zwischen den Kistenstapeln nach hinten durch die Türme.
Als sie vorgebeugt zwischen zwei Stapeln feststeckte, hörte sie hinter sich ein hastiges Rascheln und das leise Geräusch klappernden Metalls. Es war ein knirschendes Geräusch, so wie eine Schere, die sich ständig auf und zu bewegte. Irgendjemand war hier im Stall, stand hinter ihr, das konnte sie spüren. Erschreckt fuhr sie um.
„Hallo?“
Die Kisten versperrten ihr die Sicht, sie konnte niemanden sehen.
„Hallo, ist da jemand?“
Das Geräusch verstummte so plötzlich wie es aufgetaucht war. Sie hörte nur noch Schritte, die sich leise entfernten. Alexandra versuchte, sich hektisch aus dem Spalt zwischen den Kisten hervorzuwinden. Die unbändige Furcht, die sie ergriff, ließ ihre Hände fahrig werden. Sie konnte sich nicht so schnell befreien wie die Angst ihr durch die Glieder schoss. Als sie endlich aus dem Spalt der Kisten herauskam und durch den Stall auf den Hof rannte, war niemand mehr zu sehen.
Sie stand noch atemlos an der gleichen Stelle, als Hannes auf den Hof fuhr. Seine rote Maschine glänzte in der Sonne. „Ducati“ leuchtete der Schriftzug auf dem Tank. Er fuhr bis knapp vor ihre Füße, dann hielt er an und nahm den Helm ab.
„Hallo!“
Alexandra nickte ihm atemlos zu. „Hallo.“ Angespannt fragte sie: „Hast du jemanden gesehen, der hier aus dem Hof kam? Gerade eben?“
Lässig stieg er von der Maschine, legte den Helm auf der Sitzbank ab und zog seine Handschuhe aus. „Nö. Sollte ich?“
„Gerade war jemand hier. Als ich im Stall war.“
Er sah sie mit einem merkwürdigen Blick an. „Hm. Und du weißt nicht, wer es war?“ Er öffnete seine Jacke, unter der ein schmales grau-weiß gestreiftes T-Shirt hervorkam.
„Nein. Ich habe zwischen meinen Kisten festgesteckt und habe so ein komisches Geräusch gehört. Ich habe gerufen, aber niemand hat sich gemeldet. Und als ich mich dann endlich befreien konnte, habe ich nur noch weglaufende Schritte gehört, aber niemanden gesehen. Es war unheimlich.“
Alexandra rieb sich über die Arme, auf der sich trotz der Hitze eine leichte Gänsehaut gebildet hatte.
Hannes sah sich kritisch auf dem Hof um, sagte aber nichts. Dann drehte er sich zu ihr. „Willst du mit reinkommen?“ Er nickte in Richtung Haupthaus.„Es ist schon nach sieben und ich habe außer einem knappen Frühstück heute Morgen noch nichts gegessen. Wenn du magst, kann ich uns was kochen?“ Er sah sie an und sie konnte in seinen Augen nichts außer einer harmlosen Frage lesen. Also schön, warum eigentlich nicht? Die Furcht, die ihr noch immer in den Knochen hing, würde sie den ganzen Abend begleiten. Vielleicht käme sie bei einem ordentlichen Essen auf andere Gedanken.
„Also, was ist? Oder bist du noch immer angefressen wegen neulich?“ Hannes stand vor ihr und sah sie immer noch an. Er roch nach Leder, frischer Luft und Sonne.
„Was kochst du?“
Er zuckte heiter mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mal sehen, was mein Kühlschrank so hergibt. Vielleicht einen leichten Salat mit Scampi? Magst du so etwas?“
„Normalerweise nicht. Zuviel Antibiotika in den Fischfarmen.“
Er grinste. „Na klar. Aber meine sind natürlich vom Bio-Discounter meines Vertrauens.“
Alexandra zögerte. Eigentlich mochte sie gern Scampi essen. Nur aus ethischen Gründen verzichtete sie meistens darauf.
„Ich muss ja nicht so viele davon essen.“
„Du musst gar keine essen, wenn du nicht magst. Du kannst auch nur Salat essen. Ich kann es getrennt zubereiten.“ Er lächelte sie charmant an und nickte auffordernd in Richtung Haupthaus. „Lass uns reingehen, ich habe
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