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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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Licht. Heute Nachmittag, spätestens heute Abend sollte es ein Gewitter geben, hatte der Meteorologe im Radio gesagt. Momentan sah es nicht danach aus, also konnte sie sich noch ein wenig Ruhezeit in der Sonne gönnen. Alexandra streckte sich auf der Bank aus und sinnierte über ihr Leben und ihre Pläne.
    Die dicke Fliege, die sich ständig irgendwo auf ihrem Gesicht niederließ und um sie herum schwirrte, weckte sie. Der Nachmittag war fortgeschritten, aber noch immer brannte die Sonne. Alexandra dehnte sich. Besonders bequem war die Bank nicht, wenn man ohne Sitzkissen darauf lag, stellte sie fest. Sie hatte auf dem Rücken gelegen und auf ihrem Ausschnitt juckte die Röte eines leichten Sonnenbrandes. In den Tiefen ihres Rucksackes grub sie nach einer kleinen Tube Sonnencreme, die sie in diesem Sommer immer dabei hatte, und cremte sich etwas ein. Sie sah sich um. Sie hatte Lust auf einen Kaffee, aber Hannes war immer noch nicht wieder da. Alexandra seufzte und stand auf.
    „Also dann“, sagte sie halblaut, ging über den Hof zum Stall und schloss die kleine Tür auf, die zu ihren Umzugskisten führte.
    Im dämmrigen Halbdunkel konnte sie zunächst nichts erkennen. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen, die aus dem grellen Sonnenlicht kamen, an das dumpfe Licht, das durch die schmalen Fensterluken hereinschien. Ihre Kisten standen still und stumm auf Paletten, die auf dunklem Lehmboden aufgestellt waren. Vermutlich hatten Caro und ihre Helfer Angst, dass der Stall nicht ganz trocken war, als sie die Türme hier aufbauten, sinnierte Alexandra vor sich hin. Nur schmale Lücken trennten die Türme voneinander, ein regelrechter Durchgang war nicht vorhanden, aber man konnte sich gerade so eben durchquetschen.
    Alexandra versuchte den hinteren Teil der Kisten zu erreichen und scheiterte. Sie würde zunächst einen der vorderen Türme abbauen müssen, um an die hinteren Kisten zu gelangen. Sie blickte von unten bis zur Decke. Sie fluchte leise. Um an die obersten Kisten zu kommen, würde sie nach einer Leiter stöbern müssen.
    War man einmal im Stall, so war er komplett zugänglich. Man konnte durch diverse kleine Durchlässe oder Türen von ganz vorn bis ganz hinten durchgehen. Durch die unterschiedlichen Bereiche des Stalls, die Hannes als Garage, Lagerraum oder auch überhaupt nicht zu nutzen schien, lief sie suchend nach einer Leiter. Dort, wo Hannes’ Auto parkte, stand eine einfache Holzleiter an die Wand gelehnt. Alexandra nahm sie hastig und schrie auf. „Autsch!“
    Sie sah auf ihre rechte Hand, in deren Handballen ein großer Splitter steckte. Ungehalten zog sie das Holzstück heraus und leckte das kleine Blutströpfchen ab, das aus der Schramme quoll. Dann schleppte sie die Leiter zu ihren Kisten und lehnte sie an den Stapel.
    Erst als sie auf der obersten Sprosse angekommen war, dämmerte ihr, dass sie eine schwere Kiste gar nicht von da oben herunterheben konnte. Testweise hob sie eine Ecke an und freute sich. Ein Leichtgewicht. Vorsichtig balancierte sie die Kiste mit zwei Händen die Stufen hinab. Die Kiste war nicht beschriftet und als Alexandra sie öffnete, wusste sie auch warum. Es war eine Kiste, die nur ein paar Faschingskostüme und Hüte aus vergangenen Jahren enthielt. Frustriert blickte sie wieder den Kistenstapel empor.
    Draußen auf dem Hof war ein leises Geräusch zu vernehmen. Es klang wie eilige Schritte. In der Hoffnung, Hannes zu sehen und ihn zur Hilfe nötigen zu können, trat Alexandra an den schmalen Ausgang der Stalltür und blickte suchend um sich. Es war niemand zu sehen.
    Hannes war offensichtlich immer noch nicht zu Hause, nach wie vor waren alle Türen geschlossen und sein Motorrad war noch nicht wieder auf den Hof gefahren. Der Hof lag still und verlassen da, wie zuvor.
    Alexandra schüttelte den Kopf. Sie hatte sich getäuscht. Und das Motorrad hätte sie in jedem Fall hören müssen.
    Die zweite Kiste, die nun schon deutlich schwerer war als die Erste, enthielt eine Menge Küchenkram. Eine Kaffeedose, die sie von Caro geschenkt bekommen hatte, als sie ihre erste Wohnung bezog, eine Nudelmaschine von ihrer Mutter, die die Hoffnung nie aufgegeben hatte, sie doch noch zu einer begnadeten Köchin zu machen und die sie noch nie benutzt hatte. Diverse andere Küchenteile, für deren Verwendung sie noch nie größeres Interesse aufbringen konnte. Sie wunderte sich über ein Ungetüm aus Edelstahl, dessen Einsatz in der Küche ihr widersinnig vorkam und einen kleinen,

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