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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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seinen Kriegern noch einmal den Wald. Von Siggeirs Halle führte ein gewundener Weg zum heiligen Hain. Siglind wußte, ihr Mann machte sich mit seinen Leuten zum zweiten Mal auf die Suche nach den Ausgestoßenen, weil er den Hain schützen mußte, um mit dem Wintersegen die Gunst der Idisen und Götter für seine Herrschaft als Drichten im alten und neuen Jahr zu gewinnen. Siggeirs Trupp kam dem versteckten Pfad, der zu Sigmunds Höhle führte, so nahe, daß die beiden Wälsungen die Stimmen der Männer und die knirschenden Steine unter ihren Schritten hörten. Aber die Krieger zogen weiter, ohne zu ahnen, daß es hinter den Felsen noch einen Pfad gab. Sinfjotli hatte den Kopf gehoben; seine Hand schloß sich fest um den Dolch mit dem Falkenkopf, und er flüsterte mit blitzenden Augen:
    »Wir könnten ihnen den Weg abschneiden, Siggeir überfallen und ihn töten. Das wäre doch das beste.«
    »Die Zeit ist noch nicht gekommen. Du mußt erst so stark wie ein Mann sein und die Prüfung der Kraft bestanden haben, ehe wir Rache nehmen können«, antwortete Sigmund leise und erstaunt über Sinfjotlis Entschlossenheit, seinen Vater zu töten. Er wußte, es konnte nichts Gutes daraus entstehen, wenn es innerhalb einer Sippe zu Mord und Totschlag kam, auch wenn Siglind und er darauf hofften, mit Sinfjotli den Tod ihres Vaters und der Brüder zu rächen. Zum ersten Mal spürte Sigmund die ganze Last des Unheils. Der unselige Fluch lag kalt wie Eis in seinem Herzen, und ihn schauderte vor dem unbegreiflichen Wirken der Gewalten. Ist das dein Wille und dein Wirken, Wotan? dachte er bedrückt, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

    *

    Nicht lange nach den Winternächten wirbelten stürmische und kalte Winde die Schneeflocken um die Berge und bedeckten den Eingang der Höhle; das weiße Eis machte sie für die beiden zum Gefängnis. Sie saßen in Fuchsfelle und Wolldecken gehüllt - Beute aus den Überfällen auf die Händler - vor dem Feuer, und Sigmund lehrte Sinfjotli immer mehr von dem geheimen Wissen des Eruliers. Sie zeichneten zusammen Runen in die Asche, intonierten die Namen und die Verse, bis die Höhle im Zweiklang ihrer Stimmen wie eine große Glocke hallte: 
    Tiwaz, »Tiw«: der einhändige Gott, Herr des Tempels, der Schmied muß oft die Reste des Wolfs verbrennen.
    Berkano, »Birke«: mit Blättern ist kein Baum grüner, Loki brachte das Glück der Täuschung, tief ist das Moor am Ende des Winters.
    Ehwaz, »Pferd«: Freude des Hochgeborenen, Helden singen hoch zu Roß, Sleipnir ist das schnellste Tier.
    Mannaz, »Mensch«: das Werden der Erde, Freude der Sippe, Zier der Schiffe, unter den Riesen ist Mimir der Klügste.
    Sechs Monde Schwangerschaft waren vorüber. Siglind saß oft mit einem Trinkhorn in der Hand vor dem Feuer und blickte in die Flammen. Nur nach dem Abschied von der Halle ihres Vaters hatte sie sich so einsam gefühlt. Aber damals war das Kind in ihrem Leib ein Segen gewesen - sie hatte etwas in sich getragen, das sie lieben konnte. Jetzt waren die schwachen Stöße im Bauch die Tritte eines Feindes. Im vergangenen Winter war sie mit Sinfjotli durch den Schnee gelaufen. Sie hatten sich mit Schneebällen beworfen, und ohne auf ihren Rock zu achten, hatte sie mit ihrem Sohn gekämpft wie damals mit ihren Brüdern, als sie noch ein Mädchen gewesen war. Lachend war sie mit Sinfjotli im Schnee gerollt, und die Eiskristalle schmolzen auf den Augenbrauen und den Haaren. Aber
    jetzt hatte Freydis sie mit ihrem Wissen in Fesseln gelegt, während ihr Sohn die Galdor¬Magie des Eruliers lernte.
    Siglind wußte, daß Sinfjotlis himmelblaue Augen vom Wind der Galdor-Gesänge davongetragen wurden, obwohl er sie kaum verstand, und er etwas in sich entdeckte, das dort zusammengerollt wie eine Schlange lag, in den Tiefen seiner Seele wirkte und in seinem Kopf wie das flammende Rund der Sonne brannte. Siglind sah wie Sigmund, daß das Feuer in Sinfjotli entbrannte, ihn wie ein unsichtbares rotgoldenes Strahlen umgab, und sie freute sich über jedes neue Zeichen für das Blut der Wälsungen - Wotans Blut -, als Sinfjotli den Runengesang immer sicherer intonierte:
    Laguz, »Wasser«: die Kraft strömt von den Bergen, erschreckend sind die Wellen, wenn die Menschen auf hoher See sind, nichts ist schärfer als Lauch.
    Ingwaz, »Ing«: Held der Götter, aus dem Osten kommt sein Wagen, die schwerterlosen Kämpfe mit dem Einhorn.
    Dagaz, »Tag«: des Tals helles Tor, der strahlende Morgen vereinigt sich

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