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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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hochzüngelten. Die Fackel war beinahe heruntergebrannt, als das Feuer schließlich aufloderte, und die Flammen das Dach erfaßten. Bald schoben sich schwarze Rauchwolken vor die Sterne. Die Knechte hatten Mühe, die Pferde zu halten und zu beruhigen, die in panischer Angst vor dem Feuer wieherten und scheuten. »Siglind«, sagte Sigmund leise. Der Wind trieb ihm den Rauch ins Gesicht. Er mußte husten, und Tränen stiegen ihm in die brennenden Augen. »Komm mit uns, und ich werde alles gutmachen, was du zu leiden hattest. Wir werden mit deinem Sohn in das Land unseres Vaters zurückkehren, es von neuem erobern und noch mehr dazu. Keiner Frowe soll größere Ehre zuteil werden als dir, denn du hast das ganze Leid für unseren Vater und die Ehre der Sippe ertragen.« Er nahm sie zärtlich in die Arme und küßte sie. Aber Siglind starrte unbewegt auf die Flammen. Als sie schließlich antwortete, klang ihre Stimme rauh.
    »Alle sollen es jetzt erfahren!« rief sie. »Ich habe Siggeirs Kinder der tödlichen Prüfung ausgesetzt, weil sie Wals, unseren Vater, nie hätten rächen können. Ich bin in der Gestalt der Seherin Freydis zu dir in die Höhle gekommen, und Sinfjotli ist unser beider Sohn. Er ist ein Held, weil er ein Kind der Wälsungen ist. Ich habe Siggeir als Frowe gedient, aber alles getan, um von den Göttern das Urteil zu erzwingen. Ich habe die Rache meines Bruders so sehr herbeigewünscht, daß ich selbst zu dieser Rache geworden bin, und deshalb kann ich nicht länger im Kreis von Midgard bleiben. Aber ich bin eine Wälsunge und werde den Schwur meinem Mann gegenüber nicht brechen. Deshalb sterbe ich mit dem Drichten Siggeir, obwohl er gegen meinen Willen mir Vater und Brüder getötet hat.« Siglind umfaßte Sigmunds Gesicht mit beiden Händen und küßte ihn ein letzten Mal. Erst jetzt, nach dreizehn Jahren löste Freyja den Bann, der auf Sigmund lag, und er erinnerte sich, wie die Frau, als sie sich zum ersten Mal liebten, in seinen Armen »Sigmund!« gerufen hatte: Er wußte wieder, daß er geglaubt hatte, verrückt zu sein oder zu träumen, als er Siglinds Gesicht in den Zügen von Freydis gesehen hatte wie sein eigenes Spiegelbild im gekräuselten Wasser eines Teichs. Und er weinte um die dreizehn verlorenen Jahre ihrer Liebe, in denen er nicht gewußt hatte, daß Sinfjotli, sein eigener Sohn, bei ihm lebte. Siglind riß sich von ihrem Bruder los. Der Feuersturm hatte das Reetdach der Halle erreicht. Siglind küßte ihren Sohn und legte die Hand auf den Dolch mit dem Falkenkopf an seinem Gürtel. Sinfjotli wollte sie erschrocken festhalten. Aber mit der Kraft der Wälsungen, die auch durch sie floß, schob sie ihren Sohn zur Seite und rannte in die Halle. Sigmund wollte ihr folgen, aber vor der Wut der Flammen wich er geblendet zurück. Er rieb sich die schmerzenden Augen und versuchte, etwas zu sehen. Siglind war bereits ein schwarzer Schatten in dem wilden Feuermeer. Schon nach wenigen Schritten sank sie zu Boden; um sie herum brannte alles lichterloh. Das Dach gab nach, Flammen und Rauch stürzten herunter, schossen heller und glühender als zuvor in den schwarzen Himmel hinauf und ließen überall auf der Anhöhe, den Feldern und umliegenden Hütten schaurig zuckende Schatten tanzen.
    Das Dach senkte sich, Flammen und Rauch stürzten nach unten und schossen heller und glühender als zuvor in den schwarzen Himmel hinauf. Über die Anhöhe, über die Felder und Hütten tanzten schaurig zuckende Schatten.
    Die beiden Wälsungen überließen sich ihrem Schmerz und ihrer Trauer. Als Sigmund aus seiner Betäubung erwachte, sah er, daß sie mitten in einem Ring bewaffneter Männer standen. Die Frauen waren bei den Kindern und Tieren; er entdeckte nur Freydis zwischen den Kriegern. Die braunen Haare der Seherin wehten im Wind. Hinter ihr ging die Sonne auf, so daß Sigmund sie nur im Gegenlicht sah. Der Anblick ihrer Gestalt weckte schmerzliche Erinnerungen. Bei dem Gedanken, was hätte sein können, erfaßte ihn ein unsagbar dumpfer Schmerz.

    *

    »Ihr könnt nicht hierbleiben«, sagte Freydis. »Ihr habt dem Land zu großes Unheil gebracht. Das Leben hier wird euch nicht dulden. Andere aus der Sippe der Inglinge werden an Siggeirs Stelle herrschen. Geht, wohin ihr wollt, aber verlaßt unser Land. Wir geben euch ein Schiff und genug Proviant, damit ihr in das Land der Sachsen zurückkehren könnt. Wenn ihr euch jetzt auf den Weg macht, werdet ihr das Meer noch vor den Winterstürmen überquert

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