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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Gefolge einen felsigen Weg am Fuß eines Hügels entlang. Trotz ihrer Lasten schritten sie schnell aus, und sie sichteten Awilimos Halle bereits, als die Sonne den höchsten Punkt gerade überschritten hatte. Die Halle und die Häuser um sie herum standen inmitten eines breiten Tals. Grüne Wiesen trennten die Feste von Bauernhöfen mit Weiden für Rinder und Koppeln für langbeinige Pferde. Die Halle war wie bei den Römern aus Steinen errichtet und breiter und länger als Sigmunds Halle. Mit stolz erhobenem Kopf führte Sigmund seinen Trupp bis vor das große Eichentor von Awilimos Feste.
    Haribald öffnete das Tor. An den Steinwänden der Halle hingen gewebte Teppiche, und Fackeln verbreiteten ein helles Licht. Die großen Platten mit Speisen auf den Tischen, die nur halb geleert waren, und einige Männer, die laut schnarchend am Boden lagen, sprachen von Awilimos großzügiger Gastlichkeit.
    Zwei Frauen arbeiteten in der Halle. Die größere streute frische Kräuter auf das Stroh. Sie tat es langsam und mit stiller Anmut. Die kleinere räumte die Tische auf. Als die größere Frau Sigmund und seine Männer draußen sah, stellte sie ohne jede Eile die Schüssel mit den Kräutern ab und kam heraus, um sie zu begrüßen. In ihrer Größe erinnerte sie Sigmund an Siglind, obwohl sie nicht die speergleiche Schlankheit seiner Schwester besaß. Sigmund warf Paltwini fragend einen Blick zu, der zustimmend nickte.
    »Sei gegrüßt, Frowe Herwodis«, sagte Sigmund und holte das Geschenk hervor, das er für sie mitgebracht hatte. Es war ein goldener Kamm, verziert mit verschlungenen Linien und Punkten in Spiralen, die so fein und eng nebeneinander standen, daß es den Anschein hatte, als sei das kostbare Metall von Rillen durchzogen. »Bitte nimm dies als Zeichen meiner Hochachtung für dich und deine edle Sippe entgegen.«
    »Deine Aufmerksamkeit ehrt mich, König Sigmund«, erwiderte Herwodis. Ihre tiefe Stimme klang angenehm sanft, als dämpfe sie ganz bewußt ihre Kraft. Sie nahm den Kamm aus seiner Hand, drehte ihn und betrachtete aufmerksam die spiralenförmig verschlungenen Verzierungen. »Eine schöne Arbeit«, stellte sie fest. »Die Handwerker aus dem Norden verdienen ihren guten Ruf.« Sie trat über die Schwelle und sagte mit einer einladenden Armbewegung: »Bitte, kommt in unsere Halle. Leider sind wir nicht sehr gut auf eure Ankunft vorbereitet. Mein Vater und König Lingwe sind auf der Jagd. Heute abend können wir euch etwas Besseres anbieten.« Sigmund trat mit seinen Gefolgsleuten ein, und Herwodis wies ihnen Plätze an der Stirnseite der Tafel an, wo üblicherweise die Ehrengäste neben dem Drichten saßen. »Hilde, hole Wein für unsere edlen Gäste.« Die angesprochene junge Frau bekam einen roten Kopf und kicherte. Schnell schlug sie die zarten Hände vor den Mund und eilte aus der Halle. Als sie zurückkam, nahm ihr Herwodis den großen Silberkrug und einen blauen Glaspokal aus der Hand. Das Getränk, das in den Pokal floß, war hell wie grünes Stroh; ein paar winzige Luftblasen perlten im Glas. Sigmund hatte bereits auf Raubzügen in Britannien und Gallien Wein getrunken, aber es war immer der dunkle Rotwein aus den römischen Gebieten gewesen. Er verneigte sich leicht, als Herwodis ihm den Pokal reichte und atmete ein, um den starken Duft aufzunehmen, ohne ihn eigentlich zu riechen. Er wartete, bis Herwodis und Hilde seinen Männern eingeschenkt hatten. Dann goß sich Herwodis selbst ein halbes Glas ein. Sigmund hob den Pokal und rief: »Auf unsere edle Gastgeberin, von der ich hoffe, daß sie bald unsere Halle schmücken wird.« Seine Gefolgsleute lachten. Hilde, die Kammermagd, kicherte wieder, und ein paar blonde Locken rutschten unter ihrem Kopftuch hervor. Herwodis lächelte freundlich und wandte ihre Aufmerksamkeit Sigmunds Männern zu. Sie sah jeden einzelnen an, als bedanke sie sich für das Wohlwollen. Sigmund stellte fest, daß die meisten strahlten, nachdem Herwodis' Blick sie gestreift hatte. Er leerte sein Glas. Der Wein war süßer als der, den er kannte, aber nicht so süß wie Met und hatte einen leicht bitteren Wermutgeschmack, der seine prickelnde Fruchtigkeit noch verstärkte. Kuntwulf unterdrückte sein Husten; sein rundes Gesicht wurde krebsrot. Ehumari rümpfte die lange Nase, aber den anderen schien das unbekannte Getränk zu schmecken.
    »Erzähl mir von deiner Reise hierher, Sigmund und von dem Land, über das du herrschst«, bat Herwodis, als die Gläser wieder gefüllt

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