Rheingold
Jahre alt und bereits klug und schön. Ich habe sie gesehen und mit ihr gesprochen, und ich glaube, keine Frau könnte besser für dich sein.«
»Erzähl mir von ihr«, sagte Sigmund, setzte sich bequem auf die Bank und streckte die Füße ans Feuer.
»Herwodis ist groß und kräftig, hat braune Haare und graue Augen. Sie ist zurückhaltend und redet nicht viel. Aber sie ist klug und in allen Dingen, die eine Frau wissen sollte, gut bewandert. Meiner Meinung nach wird sie dir gute und kräftige Kinder schenken.« Sigmund strich sich nachdenklich über den Bart und blickte ins Feuer. Dann sagte er: »Wenn du mit Herwodis gesprochen hast, dann mußt du auch mit ihrem Vater geredet haben. Was hat er gesagt?«
»Seine Antwort war klar und wohlwollend. Er sagte, er fühle sich geehrt, daß ein Drichten wie du um seine Tochter werben möchte. Aber er bat bis zum Sommeranfang um Bedenkzeit.
Es war noch ein Bote bei ihm. Er kam von Lingwe, dem Sohn von Hunding, den Hailgi getötet hat. Awilimo gab ihm dieselbe Antwort.« »Hmmm«, Sigmund nickte. Er wußte, das konnte Kampf bedeuten. Aber er hatte bereits lange in Frieden gelebt - zu lange, fand er jetzt. Er sah im rotgoldenen Feuerschein den Kristall in seinem Schwertgriff glänzen, und der schlafende Wolf in seiner Seele regte sich. »Wir fahren nach der Aussaat im Solmond«, sagte er dann, und der Kristall pulsierte unter der Berührung seiner Finger. Als die Sommersaat in der nassen Erde keimte, segelte Sigmunds Flotte entlang der friesischen Küste zur Mündung des Rheins. Dort begann die lange Fahrt stromaufwärts zum Land der Franken. Und so saß er jetzt in dieser langen Nacht auf seinem Schiff - er, der letzte seiner Sippe. Die siebenundvierzig Winter lagen als schwere Last auf ihm -, und er wollte um eine Vierzehnjährige werben. Mehr denn je sehnte er sich nach Siglinds Rat. Aber sie blieb stumm, wenn sie überhaupt noch in seiner Nähe war...
Am nächsten Tag wehte eine steife Brise von der Nordsee und blähte die Segel. Sigmund stand am Bug und empfand den Wind wie eine starke Faust im Rücken, die ihn vorwärtsschob. Die leuchtenden Farben der neuen Tuniken und Umhänge seiner Gefolgsleute mit ihren goldenen Armreifen, Spangen und Schnallen, die hinter ihm auf dem Schiff standen oder saßen, boten ein buntes fröhliches Bild. Einige ließen die Würfel rollen und stritten gutmütig darüber, wer den nächsten Wurf hatte; andere lagen ausgestreckt auf den Holzbänken in der Sonne. Odger trat zu Sigmund und blieb eine Weile stumm neben ihm stehen, bis er anfing zu sprechen.
»Ein schöner Tag für die Brautschau, nicht wahr?« Der Krieger blickte zum strahlend blauen Himmel hinauf. »Die Götter blicken gnädig auf die Heirat.«
»Du willst sagen, so wie sie es bei der letzten nicht getan haben?« erwiderte Sigmund und lächelte traurig.
Odger ließ den Kopf langsam sinken und starrte auf Sigmunds nackte Füße. »Meine Worte sind das nicht.« Er verzog die Lippen zu einem zufriedenen Grinsen, bei dem die braunen Zähne hinter seinem struppigen Bart zum Vorschein kamen. »Glaubst du, es kommt zum Kampf? Wie ich höre, sind Hundings Söhne eine streitlustige Bande. Ich hätte nichts dagegen, mich mit ihnen zu messen. Das Frankenland ist es möglicherweise wert, daß man es genauer in Augenschein nimmt. Ich wette, sie müssen nicht jeden Winter durch die halbe Nordsee waten.«
»Solange Helgi Hundingsbani lebt, müssen wir die Tapferkeit von Hundings Söhnen kaum fürchten«, erwiderte Sigmund wegwerfend, »und das Land der Franken...«, er seufzte. »Ich denke schon seit einiger Zeit daran, nach Süden zu ziehen.« Er schwieg und blickte in
die dunklen grünen Fluten des Rheins. »Diese Heirat ist vielleicht das Richtige, um uns das Tor zu öffnen.«
»Um ehrlich zu sein«, sagte Odger treuherzig, »ich habe mich in der alten Halle nicht mehr richtig wohl gefühlt, seit... na ja, seit dem, was im letzten Sommer geschehen ist.« Er hustete verlegen, und die schmale Narbe auf seiner linken Backe färbte sich rot. »Es würde mich nicht wundern, wenn es vielen Männern genau so geht«, fügte er mit sichtlicher Überwindung hinzu.
Sigmund schlug Odger erleichtert auf die Schulter, denn er mußte sich eingestehen, daß es ihm den ganzen Winter über nicht anders gegangen war, wenn er einsam in der Halle gesessen hatte. »Wir werden ja sehen«, sagte er und musterte seine Männer. Der schlanke Ehumar saß an der Reling und ließ eine selbstgemachte
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