Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
Vom Netzwerk:
Rhein überqueren könnten, um gegen die Römer zu kämpfen. Die Sachsen feierten Eostre, das heilige Fest, das die Franken Ostara nannten, in Awilimos Halle. Alle standen zitternd vor Kälte im kalten Licht des anbrechenden Morgens, als Sigmund und Awilimo Feuer schlugen und dann mit der Fackel das Freudenfeuer unter neun Holzstößen entzündeten. Franken und Sachsen aßen kleine süße Kuchen und schenkten sich gegenseitig Eier, die die fränkischen Frauen und Kinder bunt bemalt hatten und die Glück und ein fruchtbares Jahr bringen sollten. Hilde berichtete, sie habe bei Sonnenaufgang auf einem der fernen Hügel eine weißgekleidete Frauengestalt, eine Lichtelbe, gesehen. Als Sigmund von Herwodis wissen wollte, ob auch sie eine Elfenfrau gesehen habe, lächelte sie ihn nur verschmitzt an und sagte: »Das würde ich für mich behalten.«
    Bald nach Eostre erschien der römische Statthalter Sebastianus in Awilimos Halle. Er war klein und reichte Sigmund kaum bis an die Brust, aber er wirkte in seinem seltsam drapierten Gewand, einer Toga, über der Tunika sehr würdevoll. Am Gürtel trug er ein kurzes Schwert mit einfachem Griff, der vom häufigen Gebrauch glatt war und glänzte. Sigmund hatte gehört, die Römer seien alle dunkelhäutig, aber Sebastianus hatte hellbraune Haare und helle Haut. Er war glatt rasiert; nur ein kleiner Spitzbart zierte das Kinn. Der Römer musterte den großen Sigmund mit nachsichtigem Wohlwollen, während Herwodis ihm einen Pokal Wein reichte. Er unterhielt sich mit Awilimo und seiner Tochter in einer so stark gefärbten Sprache, daß Sigmund seine Worte nicht verstand, obwohl sie gotisch klangen. Bald wandte er sich auch an Sigmund, der bedauernd die Schultern hob.
    »Ich kann dich leider nicht verstehen«, erklärte Sigmund. Sebastianus sah ihn an, nickte und redete weiter mit dem fränkischen König. Awilimo wartete, bis der Römer zu Ende gesprochen hatte, dann sagte er zu Sigmund: »Du mußt seine Sprechweise entschuldigen, er hat sie bei den Goten im Osten gelernt, und für die Römer sprechen wir alle dieselbe Sprache. Aber er kann sich hier gut verständlich machen, denn die Burgunder sprechen eine Art Gotisch, und die meisten von uns können sie verstehen. Sebastianus sagt, Rom wird dir gern einen Vertrag anbieten, den sie Foedus nennen. Sie überlassen dir das Land nördlich von meinem am Westufer des Rheins, wenn du ihre Feinde bekämpfst. Du bist zwar dem Kaiser verantwortlich, aber du wirst über dein Volk herrschen und wie ich in allem freie Hand haben. Wir haben ja bereits darüber gesprochen, aber Sebastianus besteht darauf, daß ich es dir noch einmal wiederhole, damit alles seine Richtigkeit hat.«
    »Ich bin mit dem Foedus einverstanden, Römer«, sagte Sigmund sehr langsam und wiederholte die Worte für Sebastianus auf Gotisch. Der Römer hob die linke Augenbraue und lächelte mit blendend weißen Zähnen. Er ließ sich von seinem Sklaven eine Pergamentrolle, einen Tintenstein und eine Schreibfeder reichen. Er entrollte das Pergament, und Sigmund sah, daß es mit Runen beschrieben war, die er nicht kannte. Er spuckte auf den Tintenstein, reichte ihn Sigmund mit der Feder und deutete auf eine leere Stelle unten auf der Rolle. »Die Römer bestehen darauf, daß alles niedergeschrieben wird«, erklärte Awilimo. »Sie setzen ihren Namen unter solche Verträge. Sebastianus möchte, daß du mit deinen Zeichen bekundest, daß du mit den Bedingungen einverstanden bist.«
    Sigmund dachte kurz nach. Er hatte nicht gehört, daß das römische Gesetz jemanden mit Zauberkraft band, der dieses Gesetz anerkannte. Sigmund wollte sich an den Vertrag halten, solange die Römer sich ihm gegenüber anständig benahmen. Er schrieb die Runen seines Namens auf das Pergament.
    Sebastianus rollte das Pergament sorgfältig zusammen. Dann streckte er die Hand aus und umfaßte Sigmunds Handgelenk. Seine Finger reichten kaum um die Hälfte von Sigmunds Arm, aber sein Griff war fest, und die dunklen Augen blickten seinen neuen Verbündeten offen und ernst an.
    »Willkommen im Reich, Sigmund, König der Sachsen«, sagte er langsam und so deutlich, daß Sigmund sein Gotisch verstand.

    *

    Nach dem Abschluß des Vertrags mit Rom fand Sigmund, es sei Zeit für die Reise in den Norden. Man belud die Schiffe mit allem, was Sigmund für Herwodis mitgebracht hatte, und
    mit dem, was Awilimo zur Verfügung stellte, um die Sachsen in den Süden zu bringen. Rheinabwärts kamen die Schiffe schnell voran.

Weitere Kostenlose Bücher