Rheingold
jetzt verlassen müßte, dachte er beunruhigt. Bestimmt wird Wotan mir nach all den Mühen und Leiden dieses Glück nicht rauben... »Ich habe mit meinem Schwert in der Hand bisher nur eine Schlacht verloren. Und da traf mich von hinten ein Schlag auf den Kopf«, sagte Sigmund. »Wenn dein Vater mir den Rücken deckt und ich ihn schütze, dann wird Lingwe es schwerer haben, als er glaubt, auch wenn er uns zahlenmäßig weit überlegen ist. Aber ich stimme dir zu, es kann nichts schaden, wenn ihr zwei Frauen euch im Wald versteckt. Es ist bestimmt sogar das beste, denn im Verlauf einer Schlacht kann vieles geschehen, und du bist mir zu teuer, um dich in Gefahr zu bringen. Doch jetzt möchte ich noch einmal mit dir zusammensein, bis die Sonne endgültig untergegangen ist. Dann werden wir uns um deine Sicherheit kümmern.«
Awilimo hüstelte taktvoll und lächelte beim Anblick seiner Tochter und ihres Mannes belustigt. »Ich glaube, ich habe im Lager noch einiges zu erledigen. Ich komme nach Sonnenuntergang zurück.« Er verließ das Zelt und schloß sorgfältig die Zeltklappe. Sigmund und Herwodis entkleideten sich schnell und klammerten sich mit der ganzen Kraft ihrer Körper aneinander. Sie legte Arme und Beine um ihn, als wollte sie ihn für immer mit ihrer Erdkraft an sich fesseln. Auch er drückte sie mit seiner größten Leidenschaft an sich und drang, erfüllt von heftigem Verlangen, in sie ein, obwohl er versuchte, sich zurückzuhalten, damit es möglichst lange dauerte, bis er sich von ihr lösen würde.
»Glaubst du wirklich, du kannst siegen?« fragte Herwodis leise, als sie schließlich ruhig zusammenlagen. Die nicht vergossenen Tränen ließen ihre Augen leuchten wie graues, mit Wasser gefülltes Glas. »Ich habe schon Schlimmeres überstanden«, erwiderte Sigmund, »es bestand weniger Hoffnung, als Siggeir mich in Fußblöcke gesteckt hatte. Noch schlimmer war es, als er uns in ein Hügelgrab einmauern ließ, und es standen weniger Männer als jetzt an meiner Seite, als ich das Königreich meines Vaters zurückerobert habe. Jetzt sind meine Hände und Füße nicht gebunden. Was sollte ich also von Lingwes Männern befürchten?«
»Deshalb habe ich dich geheiratet«, murmelte sie, »nun ja, es war einer der Gründe. Du bist wie eine Eibe und bleibst in jedem Winter grün. Ich glaube, Lingwe wird beim ersten Frost welken.«
»Das hoffe ich«, sagte Sigmund und half Herwodis, ihr Kleid anzuziehen, während sie ihm die Hose hochzog und band. »Sigmund? Herwodis?« rief Awilimo draußen leise, »ich glaube, es ist Zeit.«
Sigmund, Awilimo, Alfrad und ein weiterer Krieger Awilimos trugen die drei großen Truhen mit den wertvollsten Gegenständen weit in den Wald. Als sie ein dichtes Gestrüpp mit spitzen, langen Dornen erreichten, die im abnehmenden Mond silbrig schimmerten, schoben sie die Truhen unter die Ranken, die sie hoffentlich auch bei Tag verbergen würden. Herwodis umarmte Awilimo. Sigmund sah keine Träne in ihrem Gesicht, aber ihre Stimme klang rauh, als sie flüsterte: »Ich bin stolz auf dich«, und das war für ihren Vater alles, was er wissen mußte. Herwodis wandte sich ihrem Mann zu: »Sigmund, ich liebe dich. Versprich mir, daß ich dich nach dem Tag morgen lebend wiedersehe.«
»Ich verspreche es«, sagte Sigmund, drückte sie fest an sich und ließ sie nur zögernd wieder los. »Geh jetzt mit Hilde. Haltet euch versteckt, bis ihr wißt, was geschehen ist.«
Herwodis stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte Sigmund zitternd ein letztes Mal. Dann drehte sie sich um und ging langsam in den Wald. Hilde folgte ihr ängstlich wie ein aufgeschreckter Nachtfalter.
»Deine Tochter ist all das und noch mehr wert«, sagte Sigmund zu Awilimo. »Ganz gleich, was geschieht, ich bedaure nicht, sie zur Frau gewonnen zu haben.«
»Das weiß ich.«
*
Sigmund lag in dieser Nacht wach und lauschte auf die leisen Geräusche im Wald und auf dem Fluß..
Der Mond schien hell. Die silbernen Strahlen glänzten so hell wie das Gold der Sonne. Tornstan hatte Wache, aber er stützte sich mit geschlossenen Augen auf seinen Speer. Sigmund ging unbemerkt an ihm vorbei und hinunter zum Fluß, wo seine Schiffe vertäut lagen.
Siglind wartete dort auf ihn. Ihre langen Haare fielen offen über das Kettenhemd. Am Gürtel trug sie das Schwert, das seinem glich. Der Kristall funkelte hell und klar. Sigmund wollte auf sie zueilen, aber sie hob abwehrend die Hand.
»Sigmund«, rief sie, und ihre Stimme ließ
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