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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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andere Heer zu. Ein Speer löste sich aus der verschwommenen feindlichen Front. Seine Spitze funkelte silbern im Regen und flog in hohem Bogen durch die Luft. Bogen wurden gespannt, und die Pfeile zischten wie tödlicher Hagel. Sigmund sah über sich in den Wolken einen zuckenden weißen Blitz wie der aufblitzende Flügel eines Schwans. Wieder stieß er sein durchdringendes Geheul aus und stürmte an der Spitze seiner Männer auf den Feind zu. Lingwes Front teilte sich vor ihm wie das Wasser unter dem scharfen Kiel eines Schiffs. Kein Kettenhemd, kein Schild und kein Panzer widerstand seinem Schwert. Blut spritzte in heißen Strömen, nährte seine Wolfsnatur, hüllte die unverwundbaren Arme bis zu den Schultern ein, befleckte sein Gesicht und sein Gewand. Er schlug zu, wieder und wieder und stach in das unruhige Licht, das heller oder dunkler die Männer vor ihm umgab. Er durchschnitt die Fäden von Glück und Kraft, die sie umgaben. Es war wie ein Tanz lustvoller Raserei, bei dem er fauchte, knurrte und heulte. Das Wolfsfell schimmerte durch seine feurig strahlende Haut. Die Hand, die das Schwert umfaßte, wurde vor seinen Augen zur Wolfspfote, dann wieder zur Hand, und er sah Siglinds weißen Schild wie einen Blitz, der alle Waffen zerschmetterte, die ihn hätten treffen können.
    Ein Sonnenstrahl fiel plötzlich hell auf Sigmunds blutiges Schwert, und er begann, wieder klar zu sehen. Vor ihm tauchte ein riesiger Mann in einem dunkelblauen Umhang auf. Ein breitkrempiger Hut verdeckte ein Auge. Der Mann zielte mit seinem Speer, dessen Runen auch auf dem Schaft rot glühten, auf Sigmund. Flüchtig sah er Siglinds weiße Gestalt mit wehenden Haaren.
    »Nein!« rief er erschrocken, denn er begriff, was sie tun wollte. »Nein, Siglind, NEIN!« Aber sie achtete nicht auf ihn. Sie stellte sich vor Sigmund und hob ihren Schild, um Wotans Speer abzuwehren. Wotan öffnete den Mund zu einem wortlosen Schrei göttlicher Wut, der Sigmund bis ins Mark erzittern ließ. Der zornige Gott richtete den Speer auf Siglind. Sigmund sprang dazwischen, hob sein Schwert und hieb mit ganzer Kraft auf die heilige Waffe. Das Metall klirrte laut, und sein Arm zitterte, als die Klinge in zwei Stücke zerbrach. Der Einäugige drehte sich plötzlich zur Seite und brachte Siglind mit dem Speerschaft zu Fall. Sigmund wurde es schwarz vor Augen. Er sah nichts mehr. Wotan war verschwunden und mit ihm Sigmunds Kampfeswut. Er stand waffenlos und ohne Rüstung inmitten seiner Feinde.
    »Wals, steh mir bei!« schrie er heiser, riß einem Mann, der ihn angriff, die Axt aus der Hand und spaltete ihm den Schädel. Aber die wölfische Wut stellte sich nicht wieder ein. Er sah die Reste seiner Leute und Awilimo, der verbissen um sein Leben kämpfte. Sigmund schlug sich zu ihm durch und rief seinen Leuten aufmunternd zu. Etwas traf sein Gesicht. Er glaubte, ein Pfeil habe ihn getroffen, aber dann sah er den Hagel, der wie weiße Geschosse vom schwarzen Himmel fiel und wie Hammerschläge auf die Helme der Krieger prasselte. Ein greller Blitz zerriß die dicken Wolken, und bei dem folgenden ohrenbetäubenden Donnerschlag erfaßte die Kämpfenden nacktes Entsetzen.
    »Odger, Oshelm hierher!« rief er. »Weiter, los! Noch können wir gewinnen!«
    Aber Lingwes Krieger umringten sie von allen Seiten. Ehumars Helm war zu Boden gefallen. Ein Speer traf ihn an der Schläfe, und er sank zu Boden. Einer von Awilimos Franken schleuderte seine Axt auf den Mann vor ihm. Sie blieb im Schild des Feindes stecken, und noch ehe er das Schwert ziehen konnte, hatte ihn der tödliche Streich seines Gegners am Hals getroffen. So fielen sie einer nach dem anderen, bis Sigmund erschöpft über die Leichen von Freund und Feind stolperte. Die ungewohnte Waffe ließ seine Hand erlahmen, und er wehrte einen Speer nicht schnell genug ab, der plötzlich durch die Luft flog und in seinen Leib drang. Sigmund stürzte zu Boden. Er krümmte sich um den Schaft und hielt den Atem an, während um ihn herum der Kampf weitertobte. Ein erneuter Hagelschauer mit Eisklumpen von der Größe von Männerfäusten prasselte auf die Erde. Blaue Blitze zuckten in rascher Folge und zerrissen die schwarzen Wolken. Die Schiffe, dachte Sigmund, der Hagel wird das Holz durchschlagen! Er versuchte, sich zu erheben, aber es gelang ihm nur, sich auf die Ellbogen zu stützen. Er sah nichts in dem heftigen Gewitter. Die Erde bebte unter den Donnerschlägen und machte ihn taub. Niemand schien in seiner Nähe zu sein.

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