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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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schüttelte mißbilligend den Kopf. »Lauf etwas schneller, Alter! Der Mond nimmt mit jedem Tag zu!« rief Sigfrid und rannte wieder los.
    Als das fränkische Gebiet hinter ihnen lag und sie in das Land kamen, wo Gebika regierte, wurde Regin noch vorsichtiger, verließ den breiten Weg und wanderte auf verborgenen Pfaden durch den Wald.
    »Warum müssen wir uns verstecken?« fragte Sigfrid. »Du kommst so oft hier durch, daß dich jeder kennt. Kein Burgunder weiß, wer ich bin. Außerdem dachte ich, sie wollen mit uns einen Friedensvertrag aushandeln, oder?« »Friedensverträge haben es an sich, daß sie nicht zustande kommen, wenn sich unerwartet etwas Besseres bietet«, erwiderte Regin finster, »und das Leben ist zu keiner Zeit so unsicher wie zwischen Krieg und Frieden. Bis der
    Vertrag besiegelt ist, lebst du in großer Gefahr.«
    Sigfrid gab sich noch nicht geschlagen und sagte: »Am anderen Rheinufer ist der Weg viel besser. Ich wette, wenn wir mit der nächsten Fähre übersetzen, können wir beinahe einen Tag früher zu Hause sein, und dann hätte ich mehr Zeit, mich auf die Gäste vorzubereiten. Außerdem würden wir auf dem großen Weg weniger Mißtrauen erregen als hier, wo wir uns wie Wölfe durch das Unterholz schleichen.« Er warf sich stolz in die Brust und rief: »Und überhaupt! Wenn ein Burgunder versuchen sollte, mir etwas zu tun, dann werde ich ihn in Stücke reißen!« Er zog den Dolch und ließ die Klinge in der blitzenden Sonne wie ein funkelndes Rad wirbeln. »Zieh eine Waffe nicht, wenn du sie nicht brauchst«, mahnte Regin aus alter Gewohnheit. Der Zwerg blieb stehen, stellte den Sack mit Werkzeugen und neuen Waffen vorsichtig auf die Erde und rieb sich die breiten Schultern. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er hinüber zum Westufer. Dieses Gebiet hatten die Burgunder vor sieben Jahren in einem großen Feldzug erobert. Damals hatte auch Alprecht sein Land auf der Westseite des Rheins von Chilpirich erhalten und seine Herrschaft durch einen Vertrag mit Rom gefestigt. »Dort sind wir doch vor ein paar Jahren auf dem Weg zu deiner Schmiede ohne Schwierigkeiten durchgekommen, nicht wahr?« fragte Sigfrid hartnäckig. »Wir könnten wieder in dem Gasthof übernachten. Ich kann kein Kaninchen mehr sehen, geschweige denn essen. Du bist immer so laut und verjagst alles Wild, ehe ich nahe genug herankommen kann, um etwas zu erlegen. Wenn du leise wärst, würde ich bestimmt einen Hirsch mit meinem Dolch töten. Ansbrand hat erzählt, er kannte jemanden, dessen Bruder mit dem Dolch einen ausgewachsenen Hirsch abgestochen hat.« Als Regin nicht reagierte, sagte Sigfrid: »Du könntest mir auch erlauben, einen Schaft an einer deiner neuen Speerspitzen zu befestigen. Dann müßte ich nicht so nahe an die Hirsche heran, denn es ist wahrhaftig keine Kunst, einen Hirsch mit dem Speer zu töten.«
    »Man darf dich nicht erkennen, solange du in diesem Land bist«, krächzte Regin. »Glaubst du, wenn wir im Gasthof übernachten, kannst du der einfache Gehilfe eines Schmieds sein -auch nur einen einzigen Abend lang? Wirst du ruhig und gehorsam sein - nicht nur mir, sondern jedem Mann gegenüber, der dich >Junge< nennt und dir aufträgt, ihm Bier zu holen oder sein Pferd zu versorgen? Glaubst du, du kannst einmal deine Augen senken und den Mund halten?« Er seufzte. »Sigfrid, ich glaube es nicht!«
    »Aber natürlich kann ich das!« rief Sigfrid lachend. Der Gedanke an ein Abenteuer gefiel ihm sehr. »Ich werde der schüchternste kleine Knecht sein, den du je gesehen hast. Doch, das werde ich! Keiner wird ahnen, daß ich ...« Er verstummte ... immerhin war er Sigfrid,
    Erbe der alemannischen Königreiche und, wie alle sagten, Sohn von König Alprecht.
    »Wir werden sehen«, murmelte Regin zweifelnd. »Das Risiko würde sich lohnen, nur damit du einmal den Mund hältst.« Er musterte Sigfrid. »Laß die Schultern etwas hängen. Spiele Müdigkeit, auch wenn du nicht erschöpft bist. Und vor allem, sieh nicht jedem in die Augen.« Sigfrid ließ die Schultern hängen wie jemand, der gewohnt ist, tagein, tagaus schwere Lasten zu tragen, und senkte die Augenlider. »Gut so?« fragte er, und als er sicher war, daß Regin nicken würde, mußte er bei dem Versuch, unterwürfig zu wirken, laut auflachen.

    *

    Am Ende des Winters führte der Rhein Hochwasser. Hier wälzte er sich als reißender, schlammiger Strom dahin, während er weiter im Norden bei Regins Schmiede noch sehr viel ruhiger und langsamer geflossen

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