Rheingold
Langbein... hier herum! Blödes Pferd!«
Sigfrid sprang lachend auf, als er die Stimme erkannte. Es war Hildkar, einer von Alprechts Gefolgsleuten. Er rannte über die Lichtung und den Weg hinunter. Übermütig hüpfte er über die hellen Sonnenstrahlen, die durch die zarten Blätter über den Weg fielen. »Hildkar!« rief er, »hier herauf!« Er kletterte auf einen Felsen, hob winkend die Arme und wartete auf Hildkar.
»Sigfrid?« rief der junge Mann, und als er kurz darauf hinter der Biegung auftauchte, sagte er: »Na, du bist aber gewachsen. Sitz auf, ich nehme dich den Rest des Wegs mit.«
Hildkars schmales Gesicht war blaß, die Augen waren rot entzündet und die dunklen Haare zerzaust. Sigfrid bemerkte, wie seine schmalen Hände vor Erschöpfung zitterten. Das Pferd ließ den Kopf hängen und trottete wie ein müder Maulesel dahin. »Was ist los?« fragte Sigfrid, »ist etwas nicht in Ordnung? Ist jemand gestorben?« Er stieg vom Stein aus auf Langbeins Rücken. Es mußte etwas sehr Wichtiges sein, denn sonst hätte Hildkar nicht sich und das Pferd so überfordert.
»Nein«, erwiderte Hildkar und fügte mit einem Seufzer hinzu, »aber warte, bis wir bei deinem Meister sind und ich endlich die Beine von mir strecken kann. Vielleicht bekomme ich auch etwas zu essen und zu trinken. Oder ist der Zwerg zu geizig? Ich bin Tag und Nacht geritten, um rechtzeitig hier zu sein. Ich hatte mich verirrt, und wenn mir nicht ein alter Mann gesagt hätte, wo Regin seine Schmiede hat, wäre ich jetzt auf dem Weg ins Hunnenland.«
Als sie die Lichtung vor der Hütte erreichten, war Regin nicht zu sehen. Sigfrid wußte, der Zwerg wartete entweder im Wald oder in der Hütte, um anzugreifen oder zu fliehen.
»He! Regin!« rief er, »komm her! Es ist Hildkar aus König Alprechts Gefolge...«
Regin kam um die Ecke der Hütte. In der einen Hand trug er die Axt und in der anderen ein Bündel Feuerholz. Er musterte den erschöpften jungen Mann und den Speer in seiner Hand so eingehend wie ein Stück Eisen, das er kaufen wollte. »Komm herein«, sagte er zu Hildkar, »aber ich habe keinen Platz für das Pferd. Du mußt dich selbst darum kümmern.« Sigfrid sprang vom Pferderücken und half Hildkar beim Absitzen. Mit größter Genugtuung stellte Sigfrid fest, daß der junge Mann, der mehrere Fingerbreit größer gewesen war, als er Alprechts Halle verließ, jetzt so groß war wie er selbst. »Geh ruhig hinein«, sagte er, »ich versorge dein Pferd.«
»Danke«, erwiderte Hildkar, »laß die Satteltaschen nicht draußen.« Dann folgte er Regin. Langbein ließ den Kopf hängen, schnaubte und rollte die Augen. Sigfrid nahm den Sattel ab, rieb Staub und Schweiß von dem stumpfen Fell, hob jeden Huf und untersuchte ihn nach Steinen. Nachdem diese Pflichten erledigt waren, rannte er mit den Satteltaschen in die Hütte.
Regin runzelte die Stirn. »Du vergißt immer etwas, wenn du es eilig hast, Sigfrid. Was ist es diesmal?« Sigfrid überlegte und ging zögernd wieder hinaus. Er hatte nicht nur vergessen, das Pferd zu tränken, sondern auch, es anzubinden.
Glücklicherweise war Langbein nicht weit gelaufen. Der Hengst stand am Rand der Lichtung und fraß von dem saftigen Sommergras. Sigfrid nahm die Zügel und führte ihn zu dem klaren Bach hinter der Hütte.
Als das Pferd getränkt war, band er es an den dicken Ast einer alten Esche und rannte zurück in die Hütte. Hildkar saß an die Wand gelehnt auf dem harten Lehmboden. Regin beobachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen von seinem Stuhl aus. Sigfrid bot Hildkar seinen Hocker an, aber der winkte müde ab. Der alte Schmied erinnerte Sigfrid zwar ständig an die Pflichten der Gastfreundschaft, die er in seiner eigenen Halle einmal erfüllen mußte, aber Regin hatte seinem Gast nichts zu essen und zu trinken angeboten. Deshalb nahm er schnell Brot, etwas Käse und eine Handvoll getrocknete Kirschen aus dem kleinen Schrank, wo Regin die Vorräte aufbewahrte, und füllte seinen eigenen Becher für Hildkar mit Bier. »Ach, du hast also beschlossen, in meiner Hütte den Gastgeber zu spielen?« fragte Regin mürrisch und zog an seinem grauen Bart, »natürlich, ohne mich zuerst zu fragen. Wie oft soll ich dir noch sagen daß ein Königssohn ordentliche Umgangsformen braucht?«
»Tut mir leid«, erwiderte Sigfrid. »Darf ich Hildkar in deiner Schmiede willkommen heißen?«
»Vermutlich ist es zu spät, nein zu sagen«, brummte Regin, »also los.«
Sigfrid trug Brot, Käse und Bier zu
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