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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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den dreibeinigen Hocker. Nach dem ersten Löffel überkam Sigfrid ein wahrer Heißhunger. Er schluckte, ohne zu kauen, schlürfte die Suppe aus der Schale und füllte sie immer wieder, bis der Topf leer war. Dann faltete er die Hände über dem Bauch und rülpste zufrieden. Regin sah ihn streng an. »Sigfrid«, sagte er mahnend. Sigfrid wußte, welche Lektion kommen würde, und beteuerte schnell: »Ich rülpse nicht bei einem Festmahl, das verspreche ich«, auch wenn es die meisten Drichten tun, fügte er in Gedanken hinzu. »Erzählst du mir jetzt von Otturs Wergeld oder von meinem Vater?«
    Bei den letzten Worten erfaßte ihn eine unbeschreibliche Sehnsucht, denn er glaubte, die entschwundene, strahlende Welt seines Vaters beinahe mit Händen greifen zu können. »Nicht jetzt«, antwortete Regin, und seine Augen funkelten gefährlich in den dunklen Höhlen unter seinen buschigen Augenbrauen. »Wenn wir wieder an die Arbeit gehen, kannst du den Dolch vielleicht bis zum Dunkelwerden fertig haben.«
    »Was soll ich mit einem dummen Messer?« erwiderte Sigfrid enttäuscht. »Ich muß ein Schwert schmieden... ein Schwert, um meinen Vater zu rächen!«
    »Ein Schwert, das einen Drachen tötet«, murmelte Regin leise. Ein dünner Nebel schien sich plötzlich über sein faltiges Gesicht zu legen und die tiefen Linien zu verwischen, die das Alter wie in Stein gegraben hatte. »Geduld, Sigfrid. Alles zu seiner Zeit. Ich habe fünf Generationen gewartet, und ich habe dieses Schwert noch immer nicht geschmiedet. Ich warte auf das richtige Metall. Du mußt lernen zu begreifen, was du tust und warum, ehe du dir eine Aufgabe vornehmen kannst wie das Schwert, das du dir wünschst. Deshalb geh an die Arbeit!« Als Sigfrid ihn nur mit großen Augen ansah, sagte er ärgerlich: »Na los!«
    Regin griff nach der Zange und entfachte das Feuer. Er durchsuchte gründlich die Asche, um sich zu vergewissern, daß nichts aus dem Kochtopf gefallen war und seine Flammen verunreinigte. Stück um Stück legte er Holzkohle auf das Feuer, bis eine helle Lohe brannte und mit dem dünnen hellen Rauch der klare Geruch von brennendem Eschenholz aufstieg. Sigfrid ging langsam zu dem Schleifstein aus Granit und griff nach der halbfertigen Klinge, an der er gearbeitet hatte. Es war ein großer, schwerer Dolch und von der Spitze bis zum Heftzapfen so lang wie sein Unterarm. Der Dolch würde ihm bei der Jagd gute Dienste leisten. Die Schnittkante nahm gerade Form an; sie wölbte sich in einer spitz zulaufenden Kurve zum geraden, breiten Rücken. Das Messer würde ebenso spielend Knochen zerschneiden wie Fell vom Fleisch lösen, wenn es Sigfrid gelang, aus dem Metall all das herauszuholen, was als Versprechen darin lag. Er packte den Dolch mit einer Zange und hielt ihn über das Feuer. Dann trat er so heftig auf den Blasebalg, daß die gepreßte Luft die Flamme um den dunklen Stahl in der Mitte anheizte. »Langsam«, mahnte Regin, »langsam. Wenn du das Metall zu schnell erhitzt, dann wird es reißen, und du mußt wieder von vorn anfangen. Ja so... so ist es gut«, murmelte er, als Sigfrid den Blasebalg langsamer bearbeitete. »Das ist besser. Halte dich an deinen Atem, dann findest du den richtigen Rhythmus... so atmest du Leben in die Klinge.« Das Metall wurde allmählich heiß; das stumpfe Rot leuchtete hell auf; als es orange glühte, legte Sigfrid es auf den glatten Amboß aus Stein und hämmerte den weichen Rand zu einem Halbrund. »Drehen«, ermahnte ihn Regin, »halte die Klinge gerade... schlag nicht so fest. Du brauchst dazu nicht deine ganze Kraft. Vorsicht... vergiß auch nicht die Fläche. Der Stahl muß etwas gleichmäßiger werden.« Schließlich nickte er zufrieden. »Gut, jetzt wieder ins Feuer damit.«
    Am nächsten Nachmittag saß Sigfrid am Schleifstein und schärfte die Klinge seines Messers. Es war ein warmer, sonniger Tag, und deshalb hatte er zusammen mit Regin den Granitblock vor die Hütte getragen. Jetzt ließ er langsam tretend den Stein kreisen, der mit schrillem Kreischen den Stahl schliff. Seine rechte Hand blutete, weil er sich versehentlich geschnitten hatte. Er hielt öfter inne, um das Blut an der Hose abzuwischen, wo immer mehr rostrote Flecken die graue Wolle färbten. Sigfrid war so in seine Arbeit versunken, daß ihm der langsame Hufschlag auf dem Weg weiter unten entging, bis er das Fluchen des Reiters hörte, der sich über einen umgestürzten Baumstamm auf dem Weg ärgerte. »Verdammter Mist! Hier herum,

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