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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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und schlank. Die Eisenglieder eines Kettenhemds schimmerten stumpf unter den Ärmeln und dem Saum seiner schwarzen Tunika; sein Bruder dagegen trug weder Waffen noch Rüstung. Die beiden waren etwa gleich groß, so daß Sigfrid nicht sagen konnte, welcher der ältere war. Krimhilds blaues Leinenkleid war von oben bis unten kunstvoll mit goldenen und roten Fäden bestickt. Eine sehr große, runde Goldspange mit dunkelroten Granaten hielt den Umhang unterhalb der linken Schulter zusammen. Mit ihren schnellen, gezielten Bewegungen glich sie einem Raubvogel. Ihre langen spitzen Fingernägel trommelten unruhig auf den scharfen Schnabel ihrer Gürtelschnalle in Form eines Falkenkopfs. Sie war gerade im Begriff, einem der Knechte die Zügel ihres Pferdes zu geben, als sie plötzlich den Kopf drehte und Sigfrid bemerkte.
    »Du da!« rief sie, »du, Junge! Kannst du Pferde versorgen?«
    »Das kann ich«, erwiderte Sigfrid. Er lief zwischen den Männern hindurch und nahm aus Krimhilds dünnen, knochigen Händen die Zügel entgegen. Dabei schlug er die Augen nieder und versuchte, so bescheiden wie möglich auszusehen.
    Der braunhaarige Junge stand beim Absitzen an Gudruns Seite, aber es war nur eine höfliche Geste. Sigfrid sah, wie sie nach ihm trat, als er versuchte, ihr vom Pferd herunterzuhelfen. Wie ihre Mutter übergab sie die Zügel Sigfrid. Der schlanke Junge mit den hohen Wangenknochen und dem bleichen Gesicht nahm mit seltsam erwachsen wirkendem Stirnrunzeln das Pferd seines Bruders in Obhut. »Gib es dem Jungen vom Gasthaus«, sagte der andere, »dafür ist er doch da. ..«
    »Ich versorge es lieber selbst«, erwiderte der Schwarzhaarige. Er hatte eine überraschend tiefe, rauhe Stimme und sprach in einem seltsamen Singsang, bei dem sich Sigfrid die Haare sträubten. Vor Verblüffung vergaß er Regins Anweisungen und blickte dem Jungen direkt in die Augen. Der andere wandte den Kopf nicht ab, sondern erwiderte den Blick wie eine Herausforderung. Als Sigfrid die dunklen Augen auf sich gerichtet sah, überlief ihn ein Schauer wie beim Klang eines Horns, das zum Kampf rief. Ihm fiel auf, daß die dunklen Augen des Jungen über den hohen Wangenknochen leicht schräg standen, was die schwarzen scharf gezogenen Augenbrauen noch betonten. Sein feines, schmales Gesicht hatte nur eine entfernte Ähnlichkeit mit Krimhild und keine mit Gebika.
    Sigfrid kam es vor, als starrten sie sich eine Ewigkeit an, bis der Burgunder den Blick senkte. Sie folgten Gebika und seinem Hengst zum Wassertrog. Der andere Junge sprach kein Wort, aber Sigfrid spürte, daß er ihn nicht aus den Augen ließ, als sie die Pferde tränkten, trocken rieben und die Hufe nach Steinen untersuchten. Der schwarzhaarige Junge schien mit Pferden nicht besonders gut umgehen zu können; sie spürten seine Unsicherheit, tänzelten unruhig und legten mißtrauisch die Ohren zurück.
    »Soll ich dir wirklich nicht helfen?« fragte Sigfrid unbekümmert und fügte spöttisch hinzu: »Ein Kömgssohn muß doch nicht der Pferdeknecht seines Bruders sein.«
    Nichts regte sich in dem bleichen Gesicht des Burgunders, als er mit seiner seltsam eintönigen Stimme erwiderte: »Ich mache das schon selbst.« Der braune Hengst seines Bruders wich vor ihm zurück, stampfte und trat nach ihm. Der Junge zuckte nicht mit der Wimper; er gab dem Pferd einen Stoß und zog am Zügel, bis es den Huf hob. Dann richtete er
    den Blick schweigend auf Sigfrid. Sigfrid lief wieder ein Schauer über den Rücken. Auch er beendete stumm seine Arbeit und band die Pferde an einen der Pfosten vor dem Gasthaus.

    *

    »Dein Meister ist weggegangen, Wulfi«, sagte Anshelm, als Sigfrid die Wirtsstube betrat. »Er hat eine Arbeit übernommen, um für deine Unterkunft und dein Essen zu bezahlen. Aber du mußt heute nacht hier bei den anderen schlafen, denn König Gebika hat mit seiner Familie alle Zimmer und Kammern belegt. Ach, wird das meine neue Stange?« Er begutachtete den dünnen Baumstamm, den Sigfrid trug. Der Saft floß noch aus den Enden und den abgeschlagenen Aststümpfen. »Da hast du aber noch zu tun, bis er glatt und entrindet ist«, sagte Anshelm zufrieden.
    Gutrid eilte geschäftig durch die Wirtsstube. Sie schob sich mit dem Handrücken schnell ein paar graue Haarsträhnen aus der verschwitzten Stirn und verscheuchte mit dem Besen die träge Ziege, die widerwillig den Raum verließ, als die Burgunder hereinkamen. Sigfrid fand einen freien Platz auf einer Bank und beobachtete die kleine

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