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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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dicke Wirtin, die ihre hohen Gäste mit Bier und Wein versorgte. Eine hagere Magd mit strähnigen blonden Haaren und erhitztem Gesicht brachte aus der Küche dampfendes Lammfleisch und frisches Brot. Sigfrid fiel auf, daß der schwarzhaarige Junge mit Bedacht einen Platz an der Wand wählte. Er musterte finster den Raum und jeden einzelnen Gast, als erwarte er im nächsten Augenblick einen Angriff. Bevor er trank, roch er mißtrauisch an dem Becher, den ihm Gutrid reichte. Du meine Güte, dachte Sigfrid, das ist ja ein seltsamer Vogel. Gudrun rümpfte nach dem ersten Schluck Wein die Nase; der andere Junge blies den Schaum vom Bier und leerte seinen Becher in einem Zug. Zu Sigfrids Belustigung unterdrückte er ein Rülpsen, als seine Mutter ihn streng ansah. Gebika setzte sich an das Kopfende des Tischs neben Krimhild. Er leerte sein Bier, rülpste hemmungslos und ließ sich sofort den nächsten Becher reichen.
    Obwohl Sigfrid Hunger und Durst quälten, vergaß er seine Rolle nicht und wartete, bis alle Krieger bedient waren, bevor er seine Portion Fleisch, Brot und Bier verlangte. Er schlang das Essen gierig hinunter und hielt Ausschau nach Regin. Aber der alte Schmied war nirgends zu sehen.
    Sigfrid wollte noch einen Teller, aber Gutrid, die mit einem Krug aus der Küche kam, lehnte das mit energischem Kopfschütteln ab. »Warte, bis alle Edelleute gegessen haben, Junge«, rief sie ungnädig, »und dein Meister hat schon gegessen. Glaub ja nicht, daß du mir noch eine Portion abschwindeln kannst, wenn du behauptest, es sei für ihn.« Sie schnaubte verächtlich und eilte zu ihren Gästen. Mißmutig fügte sich Sigfrid in sein Geschick.
    Aber dann lächelte er nachsichtig und dachte: Wenn du wüßtest... Er setzte sich an das niedergebrannte Feuer, entrindete den Stamm, schnitt die Aststümpfe sauber ab und warf das grüne Holz und die langen Rindenstreifen in die zischende Glut.
    Nach dem Essen schloß Gutrid die Tür vor der nächtlichen Kälte und entzündete die Fackeln an den Wänden. Bald darauf zog sich die königliche Familie in ihre Zimmer zurück; die Krieger entrollten Decken und stießen und drängten sich um die besten Plätze in der Nähe des Feuers. Im dunklen Schein der qualmenden Fackeln fiel Sigfrid nicht weiter auf. Er öffnete die Bänder seiner Schuhe und suchte, bis er einen Platz gefunden hatte, wo sich sein Gesicht nicht zu nahe an den Füßen eines anderen befand. Für ihn war das ein seltsames Erlebnis, denn meist schlief er allein oder nur mit Regin im Raum, und jetzt lagen diese vielen fremden Leute um ihn herum. Wenn Sigfrid nicht aufmerksam hinhörte und sich darum bemühte, etwas zu verstehen, klangen die Worte der Burgunder in seinen Ohren wie leises, tiefes Knurren; die Gespräche und Streitereien der Männer, in die sich immer wieder ein Rülpsen oder ein Niesen mischte, wurden bald zu einem fernen Murmeln, und er schlief ein.

    *

    Sigfrid erwachte unruhig und benommen. Er schwitzte in der Wärme und der schlechten Luft des überfüllten Raums. Das Feuer glühte nur noch unter der Asche. Die Krieger schnarchten oder warfen sich im Schlaf unruhig hin und her. Es roch nach Knoblauch, den die Burgunder gegessen hatten, und nach ranziger Butter, mit der sich manche von ihnen die Haare gefettet hatten. Je länger die Nacht dauerte, desto unerträglicher wurden die Gerüche. Sigfrid hatte das Gefühl zu ersticken. Leise erhob er sich, zog die Schuhe an, schlich hinaus und zog die Tür lautlos hinter sich zu.
    Der zunehmende Mond warf ein gespenstisches, silbriges Licht auf den Weg und den Wald. Lange, unheimliche Schatten ließen die Landschaft unwirklich und fremd erscheinen. Ein leichter Wind fuhr Sigfrid durch die dichten Haare, als er zum Rhein hinunterging. Die Kühle ließ ihn erschauern. Auf einem großen Stein am Ufer sah er plötzlich eine schwarze Gestalt. Dort saß jemand und starrte auf die silbrigen Wellen. Sigfrid hielt vor Aufregung die Luft an und näherte sich dem unheimlichen Wesen mit klopfendem Herzen. War es eine Schwarzalbe? Ein Flußgeist? Welcher Mensch konnte zu dieser Nachtstunde hier draußen sein, wenn alle schliefen? Sigfrid bewegte sich lautlos. Er hoffte, so nahe wie möglich an die Gestalt heranzukommen, ehe sie wieder im Stein oder im Wasser verschwand. Er war nur noch einige Schritte entfernt, als unter der dicken Ledersohle seiner Schuhe laut ein Zweig knackte. Sigfrid hörte das gedämpfte Klirren einer Rüstung, als die dunkle Gestalt aufsprang, sich

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